“Demokratie
braucht
politische Bildung”

Stadt.Land.ImFluss. Politische Bildung und öffentlicher Raum

Ausschnitt des graphic recording von Meike Bergmann
Foto: Meike Bergmann
6.06. 2019

Fachtagung im Internationalen Bildungszentrum dock europe e. V.

„Stadt.Land.ImFluss“ – der Tagungstitel war Programm: Öffentliche Räume sind sowohl in der Stadt als auch auf dem Land ständigen Veränderungen unterworfen. Sie sind wichtige Seismografen für die Bedingungen des städtischen und ländlichen Lebens. Ca. 40 Teilnehmende kamen am 4. Juni 2019 im Internationalen Bildungszentrum dock europe e. V. zusammen, um zu diskutieren, welche Aufgaben sich aus diesen Veränderungen für die politische Bildung ergeben, um den öffentlichen Raum als Ort der Pluralität und Freiheit zu schützen und zu erhalten.

 

Die Fachtagung „Stadt.Land.ImFluss. Politische Bildung und öffentlicher Raum“ wurde von Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten e. V. (AdB) initiiert und in Kooperation mit dock europe e. V. und GWA St.Pauli e. V. Gemeinwesenarbeit | Kulturarbeit | Sozialarbeit durchgeführt. Sie nahm den Diskussionsfaden der Ausgabe 1/2019 der Fachzeitschrift „Außerschulische Bildung“ zum Thema „Veränderung des öffentlichen Raums auf.

 

In einem Vortragsgespräch mit der Stadtforscherin Professorin Dr. Katrin Wildner, aktiv bei Metrozones, einem Zusammenschluss kritischer Stadtforscher*innen, und mit Professorin Dr. Sabine Stövesand von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Department Soziale Arbeit konnte ein erster, sehr spannender Blick auf das Thema geworfen werden. Moderiert von Petra Barz, dock europe e. V., und Steffen Jörg, GWA St.Pauli e. V., wurden insbesondere die Städte als komplexe Gefüge in den Blick genommen.

 

Auf die Frage: „Wie kann politische Bildung im öffentlichen Raum wirken?“ wurde mit Beispielen aus der Gemeinwesenarbeit und der „Schule des städtischen Handelns“ deutlich, wie mit demokratischen und partizipativen Prozessen Menschen gestärkt und zur Mitgestaltung des öffentlichen Raums motiviert werden können. Diese Runde zeigte auf besondere Art und Weise wie wichtig es ist, interdisziplinär im besten Sinne zu denken und die unterschiedlichsten Menschen zusammenzubringen.

 

Deutlich wurde ebenso die Notwendigkeit, immer die Exklusivität öffentlicher Räume mitzudenken und sich darüber klar zu sein, wie die Zugänglichkeit und Gestaltung die Nutzungsmöglichkeiten bestimmen: Wer hat z. B. das Recht zu sprechen? Politische Bildung hat dabei die Aufgabe, den Blick auf die Verhältnisse zu richten und darauf, wie diese auf die Menschen wirken. Damit verbunden ist die Frage: Wem gehört die Stadt? In einem sich immer weiter verdichtenden Stadtraum entstehen Raum-Konkurrenzen z. B. zwischen Verkehrsteilnehmer*innen, zwischen den Nutzer*innen von Parks und Plätzen. Zweckentfremdung wird von den einen begrüßt, von den anderen abgelehnt. Wie gelingt es, den unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht zu werden?

 

Thomas Minnerop, Projektleiter Jugendgerechte Kommune Bad Segeberg, legte den Fokus auf Jugendliche und deren Einbindung in kommunale Strukturen. Er berichtete über den Prozess, den Bad Segeberg hin zu einer jugendgerechten Kommune durchlaufen hat und darüber, wie sich demokratische Räume für Jugendliche eröffneten. Er sprach von den Herausforderungen, Strukturen zu etablieren, die eine wirkliche Beteiligung bei Entscheidungsprozessen ermöglichen und nicht bei schein-partizipativen Formen verharren. In einem Zeitungsartikel zu diesem Projekt sagt ein Gründungsmitglied der Schülervertretung: „Wir sind zwar nur 35 % der Bevölkerung, aber wir sind 100 % Zukunft.“ Dies macht deutlich, dass es eben nicht nur um die aktuelle Gestaltung öffentlicher Räume geht, sondern auch um die Frage, wie wir in Zukunft zusammen leben wollen.

 

Diese Frage wurde auch in der nächsten Runde aufgegriffen: Wie wollen wir zusammen leben? Und welche innovativen Ideen könnten helfen, Räume kreativ neu zu denken? Mit sechs interessanten Beispielen aus der Praxis konnte in der Arbeitsgruppenphase deutlich gemacht werden, welche Kraft politische Bildung im kommunalen Raum hat, wie wichtig die Beziehungsarbeit ist und welche neuen Ideen möglich sind. Folgende Projekte waren vertreten:

 

 

Als Critical Friend begleitete Nicole Vrenegor, Politologin mit Schwerpunkt Stadtentwicklung und Soziale Bewegungen, die gesamte Tagung. Frei nach Bob Dylans „Don't Look Back“ benannte sie mit ihrer kleinen Performance die Aspekte, die ihr aus den Diskussionen und Präsentationen besonders im Gedächtnis geblieben sind und die unbedingt weiter bedacht und entwickelt werden müssen.

 

Fragen, die bei der Tagung noch nicht beantwortet werden konnten, sind z. B.: Wo liegen die Herausforderungen im ländlichen Raum und was sind dessen Potenziale, die genutzt und/oder ausgebaut werden können? Wie kann es gelingen, gute Ideen, die im städtischen Kontext entstanden sind, für ländliche Kontexte weiterzuentwickeln und umgekehrt? Wie findet ein Austausch statt? Wie kann man zu einer politischen Strategie kommen, die in öffentliche Räume investiert – und dies nicht nur finanziell, sondern strukturell, nicht nur seitens der Politik, sondern als gemeinsame Strategie aller Akteure? Und wie lassen sich öffentliche Räume vor Ort mit digitalen Räumen sinnvoll verknüpfen?

 

Die Tagung fand dank der beeindruckend flexiblen Räume von dock europe e. V. in der Genossenschaft fux und der hervorragenden Bewirtung in der Cantina FUX&GANZ in einer sehr kreativen und inspirierenden Atmosphäre statt. Meike Bergmann von dock europe e. V. und Britta Kussin begleiteten die Tagung durch graphic recording und zeichneten eindrucksvolle Bilder der vielfältigen Verflechtungen, Ideen und offenen Fragen.

 

Diese Veranstaltung ist Teil einer vom AdB ins Leben gerufenen Tagungsreihe der AdB-Fachzeitschrift „Außerschulische Bildung. Zeitschrift der politischen Jugend- und Erwachsenenbildung“. In jedem Jahr wird eine Veranstaltung zum jeweiligen thematischen Schwerpunkt des ersten Heftes in Kooperation mit anderen Einrichtungen oder Organisationen und in einem anderen Bundesland durchgeführt. Diese Fachtagung ist die fünfte Tagung dieser Veranstaltungsreihe.