Papier ist geduldig
Als Edward Snowden 2013 mit seinen Enthüllungen zur flächendeckenden digitalen Massenüberwachung an die Öffentlichkeit ging, waren deren Ausmaß und Wirkung noch nicht absehbar. „Das Internet ist für uns alle Neuland“ – Angela Merkels Antwort auf Presse-Nachfragen zur Abhöraktion ihres Handys durch die US-Regierung wurde im gleichen Jahr oft zitiert, viel belächelt und ist inzwischen legendär. Dass Digitalisierung mehr als das Internet umfasst, scheint inzwischen bekannt. Mittlerweile füllen viele Studien und Handlungsempfehlungen zu Zuständen, Ängsten und Regulierungsbedarfen unzählige Seiten. Vom gehackten Berliner Kammergericht bis zur heimlich von US-Behörden eingesetzten Gesichtserkennungs-App Clearview – auch Meldungen zu Datenschutzskandalen reißen nicht ab. Konkrete Umsetzungsschritte, diesen zu begegnen und als demokratische Gesellschaft, Digitalisierung auszugestalten, scheinen jedoch zu fehlen.
Während das chinesische Sozialkredit-System als Diktatur-Instrument gebrandmarkt wird, wirbt die Bundesregierung vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) für die Vorratsdatenspeicherung. Gleichzeitig warnen angesichts mangelhafter technischer Schutzsysteme und gesetzlicher Lücken wie im Netzwerkdurchsetzungsgesetz Organisationen aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Politik vor einem „Schlaraffenland für Hacker“. „Wir dulden eine flächendeckende IT-Unsicherheit“, mahnte Ninja Marnau vom Helmholtz-Zentrum für Informationssicherheit (CISPA) in einer Anhörung im Bundestag. Was tun?
2019 legte die von der Bundesregierung einberufene Datenethikkommission (DEK) ein umfangreiches Gutachten vor. Darin betont sie die besondere Verantwortung des Staates „im Einklang mit unserer Werteordnung ethische Maßstäbe auch für den digitalen Raum zu formulieren und diese durchzusetzen. Wer von anderen übermäßig abhängig ist, wird vom ‚rule maker‘ zum ‚rule taker‘ und setzt seine Bürger letztlich Vorgaben aus, die von Akteuren aus anderen Regionen der Welt formuliert werden, oder von privaten Akteuren, die demokratischer Legitimation und Kontrolle weitgehend entzogen sind.” (Datenethikkommission 2019, S. 27) „Durch digitale Technologien hat sich unser ethischer Ordnungsrahmen im Sinne der grundlegenden Werte, Rechte und Freiheiten, wie sie in der deutschen Verfassung und in der europäischen Charta der Grundrechte verankert sind, nicht verändert.” (Ebd., S. 6) Die Würde des Menschen, Selbstbestimmung, Privatheit und Sicherheit benennt die DEK ausdrücklich als unverzichtbare und handlungsleitende Grundsätze und Prinzipien für den Umgang mit algorithmenbasierten Prognose- und Entscheidungsprozessen (ADM), Künstlicher Intelligenz und Daten in der Demokratie. Das umfasst auch die Ausgestaltung von Social Media Plattformen global agierender Konzerne. Zahlreiche Studien belegen YouTube, TikTok & Co als zentrale Alltags- und damit Handlungsorte Jugendlicher (vgl. mpfs 2018), in denen Algorithmen und Datenverarbeitung zu bestimmenden Faktoren für deren Weltaneignung und Identitätsbildung werden. Bewusstes und demokratisches Agieren darin zu stärken, soll aus schulpolitischer Sicht der Digitalpakt absichern. Während auch dafür aktuell unzählige neue Konzeptpapiere und Anträge entstehen, steigt der Handlungsdruck und mit ihm das Ohnmachtsgefühl, der rasanten Digitalisierungsentwicklung in der globalisierten Gesellschaft nicht mehr folgen zu können. Papier bleibt geduldig, während das Leben im Verschmelzen von digitalem und analogem Raum tobt.
German Angst: „Der Souverän“ fürchtet sich
In den letzten Jahren ist im Diskurs zum Umgang mit Digitalisierung immer häufiger der Begriff der digitalen Souveränität zu finden. Auch die DEK fordert die langfristige Sicherung der digitalen Souveränität Deutschlands und Europas als ein Gebot politischer Weitsicht und Ausdruck ethischer Verantwortung. Aus Sicht der Wirtschaft ist diese Forderung im globalen Markt nicht unumstritten. Während in dieser Diskussion die Souveränität einzelner Staaten bzw. Europas im Mittelpunkt steht, ist der Begriff mittlerweile umfassender geworden und wird auch auf den/die Einzelnen appliziert.
„Der Souverän” selbst, in Gestalt von Bürger*innen in der demokratischen Gesellschaft, ist daher ebenfalls Gegenstand von Studien und Forschungsprojekten zum Umgang mit Digitalisierung. Sie zeigen, welch große Rolle Ängste spielen: Datenmissbrauch, Kriminalität und Überwachung belegen z. B. bei der Marktforschungsplattform Appinio die ersten Ränge der Bedenkenliste. German Angst ist im Bereich Digitalisierung international ein stehender Begriff und für die Employability am Wirtschaftsstandort eher abträglich. Der „DIGITAL INDEX der Initiative D21. Jährliches Lagebild zur Digitalen Gesellschaft” stellt zwar in 2018/2019 die Zunahme digitaler Kompetenzen besonders bei Informationsverarbeitung, Schutz und Sicherheit fest, jedoch mit einer wesentlichen Einschränkung: „Fachbegriffe werden nicht bekannter, teilweise wird die eigene Kenntnis sogar überschätzt. Damit besteht weiterhin für etwa die Hälfte der Deutschen keine Teilhabe an aktuellen Diskussionen und Entwicklungen im Bereich Digitalisierung.”
Hinsichtlich der Arbeitsmarktfähigkeit scheint die Notwendigkeit erkannt, dass Kompetenzentwicklung im Umgang mit Digitalisierung zwingend notwendig ist. Als Voraussetzung für die Teilhabe an Zivilgesellschaft aber steht eine Aufwertung digitaler Fähigkeiten und Fertigkeiten ebenso wie des Wissens über digitale Strukturen, Macht- und Verteilungsverhältnisse noch aus. Erst über die Vermittlung dieser und das Erproben digitalen Tuns wird Partizipation an und in der digitalisierten Gesellschaft möglich. Durch die inhaltliche sowie technische Auseinandersetzung mit Digitalisierung können Haltungen für mündiges Agieren entwickelt werden. Die Ausbildung individueller digitaler Souveränität wird damit zu einer Grundfrage für den Erhalt und die Weiterentwicklung der Demokratie.
Das Kompetenzdilemma im digitalen Bereich schließt auch die sogenannten Digital Natives ein. Lediglich in der Bedienung von neuen Geräten sind sie oft Erwachsenen voraus, so die Erfahrung in der Praxis der außerschulischen Jugendbildung. Die Bezeichnung für vor 1995 Geborene suggeriert Medienkompetenz, die, so Caja Thimm, Professorin für Medienwissenschaften und Intermedialität, kein Automatismus ist, sondern als eine Voraussetzung für bewusstes demokratisches Handeln erst erworben werden muss (vgl. Thimm/Bürger 2013). „Digitale Aufklärung und digitale Bildung ist die Grundlage für einen souveränen und selbstbewussten Umgang mit der digitalen Technologie. (…) Souveränität erhält in diesem Kontext eine neue Dimension: Nutzung der Chancen ja, jedoch gleichzeitig auch Wissen um die darin enthaltenen Risiken und souveräne Entscheidung darüber und nicht nur blindes Anwenden.” (Bisa/Friedrichsen 2016, S. 3) In der Textsammlung „Digitale Souveränität, Vertrauen in der Netzwerkgesellschaft”, herausgegeben von Mike Friedrichsen und Peter Bisa, wird der Begriff der digitalen Souveränität aus politischer, wirtschaftlicher, gesellschaftlicher, juristischer und kultureller Sicht behandelt. Auch hier spiegelt sich in unterschiedlichen Beiträgen die große Diskrepanz zwischen der Notwendigkeit digitaler Souveränität auf gesellschaftlicher und individueller Ebene, bestehenden Konzepten und Ist-Zuständen wider. Hinsichtlich des nicht nur semantisch umstrittenen Begriffs „digitale Bildung“ fordert z. B. Jörg Müller-Lietzkow, Professor für Ökonomie und Digitalisierung, einen ganzheitlichen Ansatz ein, statt nur auf technische Nutzungskompetenz von iPads & Co sowie digitale Lehrmaterialien in pdf-Form zu setzen, wie im Schul- und Hochschul-Alltag oft verkürzt zu sehen. „Digitale Bildung erfasst im Kern sowohl die Kompetenzbildung zur Nutzung als auch zur Genese des Digitalen, sprich die Fähigkeiten, digitale Inhalte und Angebote proaktiv individuell oder kollektiv einzusetzen als auch die Kompetenz digitale Strukturen durch Wissen über Programmierung und Technologien zu verstehen und souverän zu beherrschen.” (Müller-Lietzkow 2016, S. 316) Den Ängsten, Unsicherheiten und Ohnmachtsgefühlen des*der Einzelnen/des „Souveräns“ muss Bildung daher mit Kompetenzentwicklung begegnen durch Förderung von Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und kritischem Denken, den 4 Ks des Modells für Lernen im 21. Jahrhundert. Das Buch „Die vier Dimensionen der Bildung. Was Schüler im 21. Jahrhundert lernen müssen“ (Fadel/Bialik/Trilling 2017), unternimmt den Versuch, dementsprechend eine Basis für die Neugestaltung von Bildungszielen und Curricula zu legen. Übersetzt hat es Jöran Muuß-Merholz, Pädagoge mit Schwerpunkt Lernen und Lehren im digitalen Wandel sowie Experte, Berater und Wegbereiter insbesondere von Open Educational Resources (OER). In seinem Blog schlüsselt er grafisch die 4K-Skills auf: „Was meint Kreativität, kritisches Denken, Kollaboration, Kommunikation?”
Politische Bildung als Lifehack
In allen vier Kategorien muss Digitalisierung als Mittel für Lernen, Denken, Arbeiten ebenso wie als inhaltlicher Gegenstand lebendig ausgestaltet werden, denn der Umgang mit ihr wird zunehmend zur Grund- und Haltungsfrage für digitale Souveränität als Pfeiler einer demokratischen Gesellschaft. Daraus entsteht ein direkter und konkreter Auftrag für die politische Bildung.
Der von der Europäische Union entwickelte „Digitale Kompetenzrahmen für Bürger*innen” (DigCom) bietet dafür eine wichtige Grundlage sowie viel Spielraum. Er gliedert sich in fünf Bereiche:
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Der Umgang mit Informationen und Daten
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Kommunikation und Zusammenarbeit
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Erzeugen digitaler Inhalte
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Sicherheit
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Problem lösen
Dabei wird jeder Bereich durch Unterpunkte konkretisiert, die sich alle in der Bildungspraxis der Fachgruppe „Digitale Medien und Demokratie“ wiederfinden lassen – von „Recherche, Suche und Filterung von Daten, Informationen und digitalen Inhalten“ über „Integration und Neuausarbeitung von digitalen Inhalten” bis zum „Schutz von personenbezogenen Daten und der Privatsphäre”. Im handlungsorientierten praktischen Erproben und Entwickeln dieser Kompetenzen in Seminaren der politischen Jugendbildung liegt der Schlüssel für Digitale Souveränität als Kernkompetenz für mündige Digital Citizens. Beispiele dafür sind Seminarprojekte wie z. B. „Clips für Europa” oder „Medienkompetenztrainings für Mädchen” in der Jugendbildungsstätte Schloss Gollwitz.
Aus der Erfahrung der an der Fachgruppe beteiligten Jugendbildungsreferent*innen und dem Auftrag des Programms politische Jugendbildung im AdB, das Themenfeld „Digitale Medien und Demokratie“ weiterzuentwickeln, begründeten sich auch Titel und Thema des 2019 erneut gemeinsam veranstalteten BarCamps politische Bildung/#bcpb19: „KI und digitale Souveränität“, das den Umgang mit Algorithmen in den Mittelpunkt rückte.
Algorithmen werden in der Diskussion gerne als unabhängig und als Bedrohung für die eigene Persönlichkeit wahrgenommen und stehen sinnbildlich für Ängste gegenüber der Digitalisierung. Bei Algorithmen handelt es sich jedoch „nur“ um eine eindeutige Handlungsvorschrift zur Lösung eines Problems. Werden Algorithmen von Computern ausgeführt, müssen sie zuvor programmiert werden. Werden Entscheidungen durch den Einsatz von Algorithmen getroffen, scheint der Mensch seinen Einfluss darauf zu verlieren. Das aber ist weit gefehlt. Auch lernende Maschinen für system-automatisierte Entscheidungen haben einen Startpunkt und können außer Betrieb genommen werden. Die Parameter für ihre Entscheidungen werden immer von ethischen Richtlinien durch Menschen gesetzt. Dass ein System immer nur so klug ist, wie seine Programmier*innen, bekräftigte auch Lorenz Matzat, Politikwissenschaftler, Daten-Journalist und Gründer von algorithmwatch.org, in seinem Impulsreferat beim #bcpb19.
Drei Fragen an Lorenz Matzat
Autor, Datenjournalist und Mitgründer von AlgorithmWatch, sowie Inputgeber beim #bcpb19 „Digitale Souveränität“
Wie würdest du digitale Souveränität beschreiben?
Lorenz Matzat: Ich würde sie beschreiben als bewussten Umgang mit digitalen Technologien und Geräten im Alltag, aber auch im professionellen oder schulischen Kontext: dass man oder ich bzw. du weißt, was eigentlich passiert mit den Daten, die anfallen, und du einschätzen kannst, ob du dazu bereit bist, sie auch preiszugeben, dass du weißt, wo du vielleicht eine Stopp-Linie einziehen musst, formulieren kannst, was dir fehlt, was du gerne hättest in dem ganzen digitalen Bereich. Der zentrale Punkt ist eigentlich, zu hinterfragen, was geschieht mit den Informationen, die ich erzeuge.
Welchen Tipp würdest du Jugendlichen für die Gestaltung ihrer digitalen Identität geben?
Lorenz Matzat: Ich würde den Tipp geben: Guckt euch an, was andere machen. Habt vielleicht mehrere Identitäten. Probiert euch aus, gebt nicht eure echte Identität unbedingt preis, d. h. den vollen Namen und auch nicht zu viele Fotos oder am besten gar keine. Das ist schwer im Zeitalter von Instagram, ich weiß. Aber ihr habt noch ein paar Jahrzehnte vor euch und die Sachen lassen sich noch bis ans Ende aller digitalen Zeiten wiederfinden.
Was ist für dich aktuell das wichtigste Thema in dem Bereich „Digitale Medien und Demokratie“?
Lorenz Matzat: Aktuell finde ich einen Trend – so würde ich es nennen – wichtig, der unter dem Label Data Trust läuft, d. h. soviel wie Treuhänderschaft für Daten: dass Daten nicht mehr privatisiert von großen Konzernen werden, sondern dass es gemeinnützige Organisationen oder andere Zusammenschlüsse gibt, die die Daten, die anfallen, in meinem Auftrag organisieren und verwalten, aber ich da ein Mitspracherecht habe in Form von demokratischer Partizipation.
Der Mensch ist und wird wirkmächtig, wenn er über das Wissen und die Fähigkeiten verfügt, das (Computer)System zu begreifen und zu steuern. Wenn Menschen sich nicht über die ethischen Kriterien von Entscheidungen über andere Menschen einigen, werden sie dagegen von Interessen bestimmt, die nicht im demokratischen Diskurs ausgehandelt wurden. Das aber widerfährt User*innen in der Regel kontinuierlich. Steuernde Mechanismen wie die Datenschutzgrundverordnung oder die Urheberrechtsreform der Europäischen Union reichen nicht weit genug. Jede Facebook-, Google- oder Amazon-Nutzung stellt die digitale Souveränität beim Handeln in von Wirtschaftsmonopolisten vorgegeben Strukturen in Frage. In der Veranstaltungsreihe der Bundeszentrale für politische Bildung „making sense of digital society” brachte Rasmus Kleis Nielsen, Director des Reuters Institute for the Study of Journalism, das 2019 in seinem Vortrag „The power of Plattforms and how publishers adapt” auf den Punkt: Plattformen globaler Konzerne geben uns neue Möglichkeiten für Kooperation, Kreativität, Kommunikation und kritisches Denken. Sie empowern Individuen und Institutionen bei gleichzeitiger damit verbundener Verschärfung der Abhängigkeit von ihren Spielregeln und Systemen, die z. B. durch Algorithmen definiert werden. Was bedeutet in diesem Kontext digitale Souveränität?
Take it or leave it?
Lebensnah praktisch heißt das: Alexa oder TikTok nutzen? Nach Alternativen zu Whats App & Co suchen oder lebenslanges Digital Detox? In Seminaren der Fachgruppe findet genau zu diesen Fragen die Auseinandersetzung mit Jugendlichen statt – durch Recherche, Diskussion, das Ausprobieren z. B. von kollaborativen Tools und insbesondere durch eigene Medienproduktion und deren Veröffentlichung z. B. auf YouTube oder Instagram. Welche Plattformen wollen wir und welche Rolle muss dabei der Staat spielen? Wie soll in der Demokratie angesichts von Hate-Speech z. B. durch Social Bots Meinungsfreiheit versus Zensur ausgestaltet werden? Was folgern wir aus Erhebungen, die zeigen, dass populistische Thesen öfter gepostet werden als andere? Grenzt Digitalisierung aus und verstärkt Rassismus und Benachteiligung oder kann sie Teilhabe stärken? Seminare von Fachgruppenbeteiligten wie z. B. „Gesellschaft ohne Hasskultur“ der Jugendbildungsstätte Kurt Löwenstein, „Gender analog – digital. Oder: Welches Geschlecht hat Alexa?” in der Jugendbildungsstätte basa e. V. oder das inklusive Partizipations- und Spielfilmprojekt „Adamstown” des ABC Bildungs- und Tagungszentrum e. V. nehmen diese Fragen auf. Politische Jugendbildung fördert durch die Auseinandersetzung mit Macht- und Verteilungsverhältnissen ebenso wie durch praktisches Ausloten individueller Handlungsmöglichkeiten die Entwicklung digitaler Souveränität. Dabei werden z. B. Populismus ebenso wie Geschlechterrollen und die Reproduktion von Stereotypen in digitalen Medien (vgl. MaLisa Stiftung 2019; Götz/Eckhardt Rodriguez 2019) durch eigene Medienproduktion dekonstruiert und hinterfragt. Eigene Programmiererfahrungen bilden die Basis für die Auseinandersetzung mit Algorithmen wie im Seminar „Mensch, Maschine, Möglichkeiten – Leben und Lernen in einer smarten Welt” in der Stiftung wannseeFORUM. Vielfältige Blickwinkel auf Menschenrechte im Digitalen, auf Interessenlagen und -konflikte sind Grundlage aller Seminare und schaffen lebensnahe Lernräume für Jugendliche, um neue Perspektiven und eigene Haltungen entwickeln zu können. Mit dem Verständnis des Subjekts für digitale Souveränität eröffnen sich individuelle Möglichkeiten für Gestaltung, Selbstverwirklichung und Selbstwirksamkeitserfahrungen in der Digitalisierung.
Diese Erfahrungen, in Seminaren der politischen Bildung selbst zur/zum Medienproduzent*in und Publisher*in eigener Narrationen und Meinungen zu werden, ermutigt Jugendliche, Digitalisierung selbst mitzugestalten. Nur so kann die von Einzelnen kaum genutzte, von Gegner*innen der Zivilgesellschaft dagegen sehr erfolgreich praktizierte Aneignung des interaktiven Web 2.0 bis zum Internet of things konstruktive Wirkungen für die demokratische Gesellschaft entfalten. Die politische Jugendbildung darf dabei nicht nur Ungerechtigkeiten thematisieren. Sie muss Haltung erzeugen als Bestandteil von digitaler Souveränität. Im „Neuland Internet” ist der Bedarf an Kompetenzentwicklung inzwischen bekannt. Auch nicht neu ist die Problematik, Digitalisierungsanforderungen auf den Umgang mit Cybermobbing, Hate Speech und Fake News zu verengen. In den Fokus muss nun die Haltungsfrage als Kernstück Digitaler Souveränität rücken: Ob jugendliche Nachrichtenverwertung, Videoposts oder App-Programmierung – im Spannungsfeld Digitale Medien und Demokratie geht es um einen übergreifenden Ansatz, Digitale Souveränität als Kernkompetenz zu verstehen.
Bericht aus der Praxis
Gender analog – digital. Oder: Welches Geschlecht hat Alexa?