“Demokratie
braucht
politische Bildung”

Ein echter Stresstest für die Demokratie

Gruppenfoto Gemini-Fach- und Vernetzungstreffen
Foto: AdB
5.10. 2023

Der AdB führt im Verbund mit der GEMINI ein Fach- und Vernetzungstreffen zur Sozial-ökologischen Transformation durch

Die drohende Klimakatastrophe stellt unsere Demokratie vor große Herausforderungen. Es herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass eine tiefgreifende sozial-ökologische Transformation unseres Gesellschafts- und Wirtschaftsmodells notwendig ist. Gerade junge Menschen fordern schnelle und konkrete Schritte. Die Gemeinsame Initiative der Träger politischer Jugendbildung (GEMINI) im Bundesausschuss politische Bildung e. V. (bap) lud Jugendbildungsreferent*innen und andere Fachkräfte der politischen Jugendbildung am 18. und 19. September 2023 in der Evangelischen Akademie Hofgeismar zu einem abwechslungsreichen Programm ein, um über den eigenen Handlungsauftrag, Formate und Methoden in den Austausch zu kommen. 

 

Wie die Transformation genau aussehen kann, muss demokratisch verhandelt werden, auch wenn die Zeit drängt und andere krisenhafte Entwicklungen zusätzliche Aufmerksamkeit und Ressourcen fordern. In Anbetracht dieser Dynamik ist die sozial-ökologische Transformation ein echter Stresstest für die Demokratie. Vor diesem Hintergrund ist besonders auch politische Jugendbildung gefragt, eigene Angebote zum Themenkomplex zu entwickeln und zu hinterfragen, welcher Weiterentwicklungen die Bildungsarbeit bedarf. 

 

Dr. Johanna Weselek, Akademische Mitarbeiterin der Pädagogischen Hochschule Heidelberg, führte in ihrem Vortrag zum Auftakt der Tagung in den Begriff der sozial-ökologischen Transformation ein. Sie plädierte für eine kritische Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE). Politische Bildung dürfe sich nicht entpolitisieren lassen, indem sie sich an einer Verantwortungsübertragung auf individuelles Konsumverhalten beteilige und dabei die strukturell-politische Ebene vernachlässige. Als Kernpunkte einer politischen Bildung benannte sie die Reflexion von (welt)gesellschaftlichen Ungleichheitsverhältnissen und auch die Thematisierung von Widersprüchen, Konflikten und Aushandlungsprozessen in der Transformation.

 

Die anschließende Gesprächsrunde mit Praktiker*innen schloss sich diesem Votum an: Einigkeit bestand darin, dass politische Bildung sich nicht mit der Vermittlung von Wissen oder alltagspraktischen Handlungsalternativen begnügen darf. Dabei zeigte sich eine große Bandbreite an Verortungen für die eigene Arbeit. So wird die sozial-ökologische Transformation von politischen Bildner*innen neben der BNE mit Ansätzen der Natur- und Umweltbildung, des globalen Lernens, der Klimagerechtigkeit oder der Kritik an imperialen Lebensweisen verbunden. Auch wurde eine große Ähnlichkeit positiver Leitbilder, wie die Frage nach einer solidarischen Lebensweise oder nach dem guten Leben für alle, deutlich.

 

Was aber heißt das für die praktische politische Bildungsarbeit? Wie können Bildner*innen demokratische und kontroverse Aushandlungsprozesse zulassen und zugleich Wissen und alternative Handlungsmöglichkeiten mit Jugendlichen erarbeiten? Wie reagieren sie, wenn der Klimawandel als Realität in Frage gestellt wird? Sollte – angesichts der Dringlichkeit tiefgreifender Transformationsprozesse – politische Bildung einen Fokus auf die politische Aktion legen oder dies gerade vermeiden? Und wie lassen sich auch in Kooperationen mit Schule Räume für eine wirklich tiefgreifende Beschäftigung mit dem Themenfeld schaffen?

 

Vier Workshops gaben Einblicke in aktivierende Formate: Im Escape Game „Peppas Vlog“ untersuchten die Teilnehmenden die Verflechtungen von Landwirtschaft und Klimawandel. Das App-basierte Brettspiel „Weltivity“ stellte sie vor Fragen und Herausforderungen rund um die Themen Konsum, Klima, Frieden, Gerechtigkeit und Ernährung. Das Format „Mit Utopien durch die Klimakrise“ lieferte Anknüpfungspunkte für die Entwicklung von Ideen für einen solidarischen Wandel. Die Methode „Zukunftsszenarien – Die Welt im Jahr 2050“ ermöglichte, anhand von Audiosequenzen und Bildern über Zukunftsvisionen zu diskutieren.

 

Die Tagung bot einen Raum, sich gegenseitig zu inspirieren, voneinander zu lernen und praktische Tipps für die eigene Arbeit auszutauschen – und sie machte Lust, noch tiefer in den fachlichen Austausch einzusteigen, über den Auftrag politischer Bildung nachzudenken und Lösungsansätze kontrovers miteinander zu diskutieren. Klar ist: Alle beteiligten Träger der GEMINI werden ihre Arbeit in diesem Themenfeld intensivieren und fordern Fördergeber und Politik auf, diese Arbeit besser als bisher zu unterstützen. Ihre Forderungen stellen sie im November beim Bundeskongress Politische Bildung in einem Workshop zur Diskussion.

 

Rebecca Arbter (Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten e. V.), Annika Gramoll und Ole Jantschek (Evangelische Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung – et) verantworteten die Veranstaltung für die GEMINI.