„Rechtsruck“ als Herausforderung für internationale politische Bildungsarbeit

Die AdB-Fachkommission „Europäische und Internationale Bildungsarbeit“ (EIA) tagte vom 26.–28. Februar 2025 in der Akademie für politische Bildung in Tutzing und organisierte in Kooperation mit der Akademie am 27. Februar 2025 einen offenen Fachtag zum Rechtsruck in Europa.

Im Kontext des AdB-Jahresthemas 2025–2026 „Politische Bildung in Zeiten rechtsextremer Bedrohung“ haben sich die Mitglieder der EIA-Kommission mit dem Phänomen des „Rechtsrucks“ im internationalen Kontext beschäftigt. „Rechtsruck“ dient dabei als Sammelbegriff für zwei Phänomene: für den wachsenden politischen Rechtspopulismus, der einhergeht mit einer Verschiebung des parteipolitischen Spektrums genauso wie mit einer Verschiebung gesellschaftspolitischer Diskurse, und für die Beeinflussung eben dieser Diskurse durch rechtsextremistische Agitation, Ideologie und Kultur.

Zum politischen Rechtspopulismus gibt es viele, auch vergleichende internationale Studien. Hierzu lieferte Prof. Dr. Reinhard Heinisch (Paris Lodron Universität Salzburg) einen beeindruckenden analytischen Überblick. Wie hängen politische Präferenzen und gesellschaftspolitische Befindlichkeiten und Deutungsdiskurse zusammen? Worauf rekurrieren sie? Welche Schlagworte, Diskurse und Bildsprache wird übernommen und aufgegriffen? Welche Milieus und Gruppen sind in ihnen repräsentiert? Gibt es statistisch erfassbare Zusammenhänge mit politischen und gesellschaftlichen Milieus?

Manfred Zentner von der Universität für Weiterbildung Krems beschäftigte sich in seinem Input mit Lebenslagen und politischen Präferenzen junger Menschen. Er legte dabei ein besonderes Augenmerk auf die Geschichte der Sozialisierung des Jugendarbeitsdiskurses, vor dessen Hintergrund man die politische Sozialisation junger Menschen als Entwicklung betrachten müsse.

Anne Worrmann (Lernort Stadion) und Georg Pirker (AdB) näherten sich im Gespräch den Herausforderungen, vor denen europäische Jugendbildungsarbeit steht: In den verschiedenen Arbeitsfeldern von Jugendarbeit in Europa und global gibt es vor dem Hintergrund sehr unterschiedlicher und ungleichzeitiger gesellschaftspolitischer und medialer Diskurse keine eindeutig zuzuordnenden Diskurse zu Rechtsextremismus. Zudem gibt es keine fundierte transnationale Jugendforschung zu jugendkultureller Sozialisierung (bspw. zu Musik, Kampfsport, Körperbilder, Codes, Gaming) oder auch zu Akteuren der neuen Rechten und zu deren organisatorischer Vernetzung und intellektuellem Diskurs. Bildungsangebote zu Rechtsextremismus als Thema und Gegenstand von Jugendarbeit finden auf der europäischen Ebene in Kooperationen mit dem Extremismus- und Gewaltpräventionsbereich, der antirassistischen Bildungsarbeit sowie der Antidiskriminierungs- oder der Erinnerungsarbeit statt. Akteure, die sich dem Themenfeld auf europäischer Ebene widmen, sind beispielsweise das Netzwerk United for Intercultural Action.

Mick Prinz von der Amadeu Antonio Stiftung gestaltete im Anschluss einen Workshop zu Gaming als Einfallstor rechter Einflussnahme. Die Teilnehmenden wurden auf eine Vielzahl von Online Games und Foren rechter Akteure, auf Agitation und Codes aufmerksam gemacht, konnten aber auch Ansätze und Spiele kennenlernen, die zeigen, wie Rechtsextremismus und rechtes Agieren in diesem Kontext zum Gegenstand von Jugend- und Bildungsarbeit gemacht werden kann.

Mit Dr. Judith Bodendörfer von der Georg-von-Vollmar-Akademie erkundete ein weiterer paralleler Workshop rechte globalisierungskritische Diskurse, Europabilder und Texte von aktuellen Protagonist*innen rechtsextremer Ideologien im internationalen Kontext. Interessant war hierbei, dass es sich in vielerlei Hinsicht um eine Auseinandersetzung mit Modernitätsdiskursen handelt.

Vor dem Hintergrund der sehr unterschiedlichen Strukturen und Zugänge der Jugendarbeitsfelder in Europa und darüber hinaus, konnten Mithilfe der Workshops Ideen entwickelt werden, wie sich die Themen im internationalen Kontext verorten und bearbeiten lassen. Klar ist: Die neue Rechte agiert strategisch und vernetzt, sie bedient sich dabei vielfach (jugend)kulturell erprobter (Kommunikations-)Wege und Ansätze. Es erfordert für politische Bildungsarbeit im internationalen Begegnungskontext die Bereitschaft, sich damit konkret auseinanderzusetzen und die Lücken in den eigenen Zugängen, im eigenen Wissensbestand zu identifizieren, sie mit den Partnern anzugehen und pädagogisch neu auszugestalten.

Am Fachtag haben neben den Mitgliedern der EIA-Kommission weitere Interessierte teilgenommen. Aus den Feedbacks ging hervor, dass die Teilnehmenden viele wertvolle Ansätze für ihre eigene internationale Bildungsarbeit mitgenommen haben. Die intensive und herausfordernde Befassung mit der Thematik des Fachtags und der Austausch mit Expert*innen aus Forschung und Praxis wurde als sehr wichtig für die eigene Arbeit erachtet.

Mit dem Fachtag haben die Mitglieder der EIA-Kommission wieder gemeinsam ihre Kräfte gebündelt und eine interessante und für die Fachöffentlichkeit wichtige Veranstaltung zur Vertiefung und Diskussion von neuen Ansätzen für die politische Bildung organisiert. Angesichts des sich weltweit rapide ändernden gesellschaftspolitischen Rahmens, angesichts des democratic backsliding ist politische Bildung extrem herausgefordert, sich zu bewegen und neu zu orientieren.

Für die Kooperation und Ko-Organisation ist insbesondere Andreas Kalina und der Akademie für politische Bildung zu danken. Einmal mehr bot sie ein Ort, an dem sich europäischer und deutscher Diskurs gegenseitig bereichern konnten.

Ihre Ansprechperson

Georg Pirker
Georg Pirker

Georg Pirker

Referent für internationale Aufgaben

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