Cécile Lecomte im Rollstuhl mit Notizblock und schwarzer Tasche mit grünem Baum-Symbol, umgeben von sitzenden Personen in einem Raum mit Flipcharts und Pinnwand.

Praxisblick, Villa Fohrde e. V.: „Klimakrise inklusive Lösungen“ – Klimagerechtigkeit, Ableismus & Inklusion als Seminarthemen

Das ist nicht nur für die Jugendlichen ein echt ungewöhnliches Bild: eine Frau im Rollstuhl seilt sich von einer Brücke ab. Was macht sie da oben? Wie ist sie da hochgekommen? Darf sie das einfach so machen? Und dann sitzt sie im Seminarraum der Villa Fohrde, einer Bildungsstätte im Westen Brandenburgs: Cécile Lecomte, „Autorin, Bewegungsarbeiterin [und] Kletteraktivistin mit Rheuma“, die sich den Themen Klimakrise und Inklusion widmet. 

Im Rahmen des fünftägigen Seminars „Klimakrise inklusive Lösungen“ beschäftigt sich im Oktober 2025 eine Gruppe junger Menschen, zum Teil in (heil-)pädagogischer oder pflegerischer Ausbildung, mit der Frage, wie die Klimakrise Menschen mit Behinderungen stärker betrifft als Menschen ohne Behinderungen.

Im Tagesworkshop „Ableismus und Klimakrise“ beantwortet Cécile Lecomte nicht nur, wie sie sich im Rollstuhl bei Aktionen an Brücken hochzieht, sondern gibt der Gruppe auch fachlichen Input: Was bedeutet Inklusion? Was steckt hinter dem Begriff Ableismus? Wie erleben Menschen mit (Mehrfach-)Diskriminierung die Folgen der Klimakrise auf besondere Weise? Die Liste der Beispiele wächst schnell: fehlende Barrierefreiheit im öffentlichen Nahverkehr, eingeschränkter oder nicht barrierefreier Informationszugang – etwa in Blindenschrift, Gebärdensprache oder Leichter Sprache. Auch alltägliche Entscheidungen wie das Verbot von Plastikstrohhalmen werden kritisch hinterfragt: Wer ist auf solche Produkte angewiesen, wenn nachhaltige Alternativen nicht sicher oder praktikabel genug sind?

Die Einladung einer Expertin, die aus eigener Betroffenheit spricht, beeindruckt die Jugendlichen. Eine Person mit Behinderung kennenzulernen, die als Kletteraktivistin auf Barrieren aufmerksam macht, erweitert nicht nur das Wissen über strukturellen Ableismus – auch im Klimaaktivismus –, sondern verändert den Blick auf Menschen mit Behinderung insgesamt.

Im weiteren Verlauf setzen sich die Teilnehmenden mit der Bedeutung von Sprache für mehr Gerechtigkeit auseinander, insbesondere beim Zugang zu Informationen über die Klimakrise und ihre Folgen wie Extremwetterereignisse. Dabei entstehen Instagram-Posts in einfacher und Leichter Sprache, die zeigen, wie inklusive Kommunikation aussehen kann – für Menschen mit Lernschwierigkeiten, Leseschwierigkeiten oder für Personen, die erst Deutsch lernen.

Die Tage in der Villa Fohrde verdeutlichen: Die Klimakrise ist auch eine soziale Krise. Menschen sind unterschiedlich betroffen. Das Konzept der Klimagerechtigkeit stellt die Ungleichheiten zwischen privilegierten und benachteiligten Gruppen in einen größeren Zusammenhang. Das sogenannte Weltverteilungsspiel bietet eine Diskussionsbasis, um globale Ungerechtigkeiten zwischen Ländern des Globalen Nordens und des Globalen Südens sichtbar zu machen. Mithilfe von Materialien und Filmen erarbeiten sich die Jugendlichen die historischen Ursachen globaler Ungleichheit – Kolonialismus und Rassismus – und erhalten Einblicke in die Dringlichkeit antikolonialer Widerstandskämpfe.

Das Wissen um die Kämpfe von Menschen, die von (Mehrfach-)Diskriminierung betroffen sind, bildet eine wichtige Grundlage, um solidarisch für mehr Gerechtigkeit einzutreten. Ebenso wichtig ist es, jungen Menschen Raum für eigene Fragen zu geben – etwa danach, wie ein gerechteres Zusammenleben in Zukunft aussehen kann. Zum Abschluss entwirft die Gruppe gemeinsam eine realutopische Zukunftsvision in 30 Jahren und überlegt konkret, welche Veränderungen im eigenen Berufsfeld notwendig sind, um Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen zu stärken.