Politische Bildung in Zeiten rechtsextremer Bedrohung – Stark und engagiert, aber angegriffen und überfordert? Fachtagung gibt wichtige Impulse zur Arbeit des AdB

Mit der Fachtagung „Politische Bildung in Zeiten rechtsextremer Bedrohung. Stark und engagiert, aber angegriffen und überfordert?“, die der AdB in Kooperation mit dem Gustav-Stresemann-Institut in Bonn vom 26.–27. November 2024 durchgeführt hat, wurde der Auftakt für die Arbeit im Kontext des AdB-Jahresthema 2025–2026 „Politische Bildung in Zeiten rechtsextremer Bedrohung“ gegeben.

Ausgehend von der Analyse, die den Rechtsextremismus als eine der größten Bedrohungen für die Demokratie sichtbar macht, wurde der kritische Blick auf die Profession selbst gerichtet: Wie gut ist sie aufgestellt, um den aktuellen Bedrohungen etwas entgegenzusetzen, die Demokratie zu stärken und den Angegriffenen solidarische Unterstützung zukommen lassen zu können?

Politische Bildung muss vor dem Hintergrund dieser veränderten gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen agieren. Was bedeutet das für die Akteure politischer Bildung? Welchen Bedrohungen sind diese selbst ausgesetzt? Dies führte zu der Frage, wie sich politische Bildung selbst verändern und weiterentwickeln muss und welche Partner und Unterstützer sie dafür braucht.

Mit einem sehr bewegenden und gleichzeitig aufrüttelnden Bericht aus dem Alltag eines Vereins in Sachsen machte Maria Fagerlund, Buntes Meißen e. V., deutlich, mit welchen tagtäglichen Herausforderungen, Angriffen und Bedrohungen die Initiativen und Menschen zu kämpfen haben, die sich offen für eine demokratische und vielfältige Gesellschaft einsetzen.

Der Vortrag von David Begrich von der Arbeitsstelle Rechtsextremismus bei Miteinander e. V. in Magdeburg bot einen analytischen Einstieg in das Thema „Rechtspopulistische und rechtsextreme Narrative – Was macht sie gerade jetzt so wirkmächtig und interessant für viele Menschen?“ Der Referent konstatierte eine tendenzielle Axialverschiebung und eine steigende Zustimmungsbereitschaft zu rechtsextremen und antisemitischen Strömungen. Dies sei kein neues Phänomen, führe mittlerweile aber zu einer Abkehr von demokratischen Parteien. Würden Parteien bisher Stimmen verlieren, sobald sie extremer wurden, gelte das heute nicht mehr. Es habe eine Normalisierung stattgefunden. Die AfD, so seine Analyse, habe sich von einer Ein-Themen-Partei hin zu einer völkisch-nationalen Partei entwickelt, die im Osten von einer faschistischen Pressure-Group angeführt werde und nach und nach mehr Wähler*innen gewinne. Dabei sei besonders der Zuwachs an (jungen) Frauen verstörend. Aber auch die Orientierung an der Wählerschaft der Migrant*innen der 1. Generation sei auffällig. Dass das so gut gelänge, sei auch der umfassenden Nutzung von Social Media geschuldet. Gerade auch über die kommunale Ebene und die Nähe zu den Wähler*innen gelinge es, die lokalen Intuitionen zu infiltrieren und zu beeinflussen.

Bisher werde oft mit Angst auf diese Entwicklungen reagiert. Einiges deute darauf hin, so Begrich, dass viele die Herausforderungen noch nicht hinreichend verstanden und die Angegriffenen die Tragweite der Aktionen noch nicht erfasst hätten. Denn die AfD verfolge ein Langzeitkonzept und okkupiere dafür den vorpolitischen Raum. Sie nutze das Parlament als Bühne und schüren die Wut der Menschen. Die Komplexität der Gesetzgebung und des politischen Betriebs insgesamt würde dabei keine Rolle spielen. Sie beherrsche die drei Faktoren des Populismus sehr gut: Komplexitätsreduktion, Emotionalisierung und Personalisierung.

Die rechtsextreme Rhetorik spielt mit der Angst vor Statusverlust und mit dem Entfremdungsgefühl, gerade in den ostdeutschen Bundesländern. Auch dies führe dazu, dass die Brandmauer – insbesondere auf kommunaler Ebene – mittlerweile vielfach „in Flammen steht“, wie der Referent ausführte.

David Begrich gab den Teilnehmer*innen der Fachtagung mit auf den Weg, wie wichtig es sei, eigene politische Sprechräume zu definieren und nicht tatenlos dabei zuzuschauen, wie die AfD die Räume besetze. Akteure politischer Bildung sollten lernen in der Öffentlichkeit zu argumentieren, strategisch zu kommunizieren und rechtsextremen Haltungen zu widersprechen. Das ermutige auch andere, die Stimme zu erheben. Sie sollten überlegen, wie sie mit Bedrohungen umgehen, sollten Position beziehen und sich solidarisch mit denen zeigen, die angegriffen werden. Denn: Feinde der Demokratie registrierten genau, wenn die Menschen alleingelassen werden.

In einem anschließenden World-Café zur Praxis politischer Bildung in Zeiten rechtsextremistischer Bedrohung wurden verschiedene Themen diskutiert, wie z. B. die Fragen: Wie stärken wir diejenigen, die sich für die Demokratie einsetzen? Was bedeutet es für eine Einrichtung der politischen Bildung, sich für die Demokratie einzusetzen? Wie gelingt der Umgang mit Teilnehmer*innen, die sich rassistisch, antisemitisch, muslimfeindlich … äußern? Was tun, wenn Politik Teil des Problems ist? Wie können Betroffene von Diskriminierung, Angriffen, Rassismus in Veranstaltungen der politischen Bildung gestärkt werden?

Dr. habil. Robert Żurek, Stiftung Kreisau für europäische Verständigung, berichtete von den Entwicklungen in Polen, die an einigen Stellen erschreckende Parallelen zur Entwicklung in Deutschland aufweisen. Die Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (RuG) sei, so der Referent, vor allem von älteren, schwächer ausgebildeten Menschen in kleineren Städten und auf dem Land gewählt worden. Betrachtet man eine Karte, auf der die Wahlergebnisse sichtbar gemacht wurden, zeigt sich eine massive Spaltung zwischen West- und Ostpolen, wobei letztere eindeutig auf der Seite der RuG stehen. Auch hier erfolgte eine massive Instrumentalisierung der Ängste der Bevölkerung und die Fähigkeit, erfolgreiches politisches Marketing zu betreiben. Dass die RuG an Stimmen verlor, war u. a. einer inneren Krise geschuldet, einem schwachen Krisenmanagement, Korruption und dem antieuropäischen, antiliberalen Diskurs. Gibt es eine „Lessons to learn“ für die Zivilgesellschaft in Deutschland? Bei aller Unterschiedlichkeit – wie einer bisher guten Zusammenarbeit mit der Politik und einer sicheren Finanzierung in Deutschland – müsse es darum gehen, eine Abwehrstrategie zu erarbeiten, die Vernetzung, Solidarität und den Zusammenhalt zu stärken.

In Gesprächen konnten im weiteren Verlauf der Tagung Beispiele sichtbar gemacht werden, wie die Menschen im Gespräch bleiben und lernen, mit rechtsextremen Argumentationen umzugehen:

  • Janika Hoppe, Haus Neuland e. V. berichtete über ihre Arbeit mit Jugendlichen, bei der es insbesondere darum geht, Strategien der Rechten im Netz zu erkennen und Gegenstrategien zu entwickeln. Wichtig wäre es aus ihrer Sicht, eine noch engere Vernetzung und Begleitung der politischen Bildner*innen zu erreichen, um sich gegenseitig zu unterstützen.
  • Dr. Christian Johann, Europäische Akademie Berlin, berichtete von Bildungsangeboten für Besucher*innen von Bundestagsabgeordneten, bei denen die ganze Breite politischer Haltungen sichtbar werden. Hier gelte es, trotz aller Angriffe immer wieder ins Gespräch zu gehen und die Räume nicht den antidemokratischen Kräften zu überlassen.
  • Andrea Rühmann, Arbeitsgemeinschaft katholisch-sozialer Bildungswerke in der Bundesrepublik Deutschland e. V. (AKSB), berichtete wiederum vom Shitstorm, der den Verband als Reaktion auf die Kampagne „#fingerweg Rechts regiert – Deutschland verliert.“ erreichte. 

In vier Arbeitsgruppen galt es dann, nach vorn zu schauen und konkrete Vereinbarungen für die politische Bildung in den kommenden Monaten zu treffen:

  • STARK und ENGAGIERT – Was braucht die politische Bildung angesichts der aktuellen Entwicklungen?
  • SOLIDARISCH und UNTERSTÜTZEND – Wie kann die Perspektive von Betroffenen rechter Gewalt besser einbezogen werden?
  •  AKTIV und SICHTBAR – Was bedeutet es, sich als Einrichtung politischer Bildung gegen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus politisch zu engagieren? 
  • ONLINE und ÜBERZEUGEND – Wie kann politische Bildung auf rechtsextreme Agitation im Netz reagieren?

Zum Abschluss wurde aus drei Perspektiven ein Rückblick gewagt und formuliert, welche Unterstützung wir angesichts der rechtsextremen Bedrohung in der kommenden Zeit benötigen.

Mechtild Möller, Leiterin der Historisch-Ökologische Bildungsstätte Emsland in Papenburg e. V. (HÖB), betonte, dass die Tagung einen wertvollen Austausch über Perspektiven und Erfahrungen bot. Besonders inspirierend war das Lernen von den Erfahrungen anderer. Ein zentraler Fokus lag auf der Frage, wie politische Räume definiert und gestaltet werden können, wobei die Stärkung und Schulung von Kolleg*innen als essenziell hervorgehoben wurde. Der Gedanke von Robert Żurek, dass Populisten auch demokratische Prozesse subtil verändern, unterstrich die Notwendigkeit, wachsam zu bleiben und die eigene Arbeit kritisch zu reflektieren. Kooperationen zwischen Bildungsträgern wurden als Schlüssel zur Stärkung der politischen Bildung betont.

Kevin Rosenberger, Leiter der Stiftung Akademie Waldschlösschen, betonte die Bedeutung klarer Positionierungen: Wir müssen unsere Sprechräume definieren und verteidigen! Nicht-Handeln sei ebenfalls eine Aussage, weshalb es entscheidend ist, Positionen deutlich sichtbar zu machen. Wie kann ein Dialog mit anderen Perspektiven gelingen, selbst wenn dieser herausfordernd ist? Der gut strukturierte Ablauf der Tagung, der Perspektivenwechsel durch den Beitrag aus Polen und die Sichtbarmachung verbandsinterner Expertisen sorgten für eine kurzweilige und bereichernde Erfahrung. Wir sollten aber immer in den Blick nehmen: Wer ist präsent, wer fehlt, und wie können Formate diversere Perspektiven einbeziehen?

Als dritte Stimme blickte Ina Bielenberg, Geschäftsführerin des AdB, auf die Tagung und formulierte Aufgaben für die politische Bildung insgesamt und den AdB im Besonderen: Die Tagung war geprägt von der Frage: Wo stehen wir und wie gehen wir mit den aktuellen Entwicklungen um? Besonders erschreckend war der Einblick in die Auswirkungen populistischer Erfolge wie in Meißen oder in Polen, wo Strategien wie das Schüren von Ängsten, der Angriff auf Institutionen und gezielte Diffamierung sichtbar wurden. Dieses Erschrecken ist möglicherweise notwendig, um wirklich zu begreifen, welche Aufgaben vor der politischen Bildung liegen.

Für den AdB ergeben sich klare Aufgaben: sichtbare Solidarität mit Angegriffenen zeigen, neue Verbündete gewinnen und Unterstützung durch Fortbildungen und Austausch schaffen. Wichtig ist auch, Kommunikationsstrategien zu überdenken, Begriffe und Räume selbstbewusst zu besetzen und klar für Demokratie und Menschenrechte einzustehen. Zudem will der AdB seine Lobbyarbeit weiter ausbauen, um eine starke politische Bildung als Ressource der Demokratie zu erhalten. 

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Ina Bielenberg
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