Die Rolle von Friedensarbeit, Dialog und Versöhnung in der europäischen und internationalen Begegnungsarbeit. AdB-Fachkommission Europäische und Internationale Bildungsarbeit tagt im Centre Français de Berlin
Die Mitglieder der AdB-Fachkommission Europäische und Internationale Bildungsarbeit (EIA) hatten sich für die Herbstsitzung 2024 im Centre Français de Berlin schwere Themen und Fragen auf die Tagesordnung gesetzt.
Der Blick auf die Europawahlen und die Ergebnisse der Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen zeigen (nicht nur) in der Altersgruppe junger Menschen einen gewichtigen Stimmanteil für rechte bis rechtsextreme Parteien. Die Wahlergebnisse sind umso besorgniserregender, da mit der AfD eine Partei gewählt wurde, deren Landesverbände in Sachsen und Thüringen vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft werden. Absehbar ist, dass sich für Träger der politischen Bildung, für Akteure des Demokratielernens, aber auch für die Zivilgesellschaft insgesamt das Klima verschlechtern wird.
Fragen, denen sich die Kommissionsmitglieder stellten und denen sich die Träger internationaler Bildungsarbeit verstärkt widmen müssen, sind: Was können wir für die europäische und internationale politische Arbeit aus den Wahlergebnissen ableiten? Welche Herausforderungen bestehen? Mit welchen Zielgruppen wird gearbeitet und mit welchen nicht? Sind die Strukturen der Jugendarbeit für diese Arbeit gut geeignet und ausreichend ausgestattet?
Der deutsche Fachdiskurs zur europäischen und Internationalen Jugend- und Begegnungsarbeit hat sich in den letzten Jahren immer stärker der Themen Demokratie, Menschenrechte und politische Bildung angenommen. Hieran können die Träger anknüpfen. Wichtig ist auch, dass in den Wahlkämpfen europäische Themen (Migration, Asyl, Sicherheit, Frieden, russischer Angriffskrieg in der Ukraine, Krieg in Gaza …), die eng mit der internationalen Lage verbunden sind, eine zentrale Rolle gespielt haben.
Mit der Konferenz Critical Youth Work (12.–17. Mai 2024, EJBW) hat die EIA-Kommission einen internationalen und viel beachteten Aufschlag zur Thematik der shrinking spaces eingebracht. Die dort gemachten Erfahrungen und Erkenntnisse können hilfreich für eine pädagogische und strukturelle Verortung politischer Bildung sein, darin sind sich die EIA-Kommissionsmitglieder einig. Dazu bedarf es aber weiterer Arbeitsschritte hin zu einem konzeptionellen Ansatz, vor allem auch, um in den deutschen Fachdiskurs und die Fachdebatten von Jugendarbeit hineinzuwirken.
Die Problemlagen, die durch vielschichtige internationale Konflikte auch Auswirkungen auf die Bildungsarbeit haben, und die damit verbundenen Herausforderungen, vor denen die Europäische und Internationale Bildungsarbeit steht, konnten die Kommissionsmitglieder mit Marina Chernivsky vom Kompetenznetzwerk Antisemitismus diskutieren: Welche Rolle spielt Völkerverständigung, Friedensarbeit und Dialog- und Versöhnungsarbeit? Alle drei sind historisch etablierte Leitbilder internationaler Jugendarbeit in Deutschland. Und was davon ist vor dem Hintergrund der bestehenden Kriege tatsächlich leistbar? Was muss man kritisch hinterfragen? Macht es einen Unterschied, ob Konflikte stellvertretend im Raum ausgehandelt werden, ob Formate mit dem Ziel eines Dialogs/Friedens bewusst gesetzt werden oder ob Themen und Konflikte aufgegriffen werden? Wie weit darf man als Bildner*in aus Deutschland zu diesen Fragen arbeiten? Wo sind Grenzen von Bildungsansätzen? – Dies vor dem Hintergrund, dass Gewalt und Gewalterfahrung, wie bspw. im Kontext des genozidalen russischen Angriffskriegs in der Ukraine, nicht nur emotional, sondern auch in ihrer Struktur fundamental andere Kategorien darstellen, die mit Grundannahmen und -konzepten politischer Bildungsarbeit wie Selbstwirksamkeit, Partizipation, Safe Spaces, Anerkennung von Vulnerabilität nur schwer zusammengehen. Das bringt immense Herausforderungen gerade für Begegnungssettings, die von der Annahme oder zumindest der Möglichkeit von Verständigung, interkulturellem Lernen, Anerkennung geleitet sind. Es stellt sich gerade hier die Frage, ob diese Grundannahmen der internationalen Jugendarbeit überhaupt Bestand haben.
Es gab dazu sehr unterschiedliche Positionen und auch kontroverse Debatten innerhalb der Kommission. Klar scheint, es bedarf wesentlicher und systematischer Analysen und einer Auseinandersetzung mit konkreten politischen, rechtlichen, und bildnerischen Ansätzen.
Ihre Ansprechperson
Georg Pirker
Referent für internationale Aufgaben
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