“Demokratie
braucht
politische Bildung”

Neue Beteiligungsformen in der repräsentativen Demokratie - Chancen demokratischer Beteiligung nutzen! (Schney)

25.11. 2010

Stellungnahme des Arbeitskreises deutscher Bildungsstättenzu seinem Jahresthema 2011

Bürgerinnen und Bürger wollen mitbestimmen und mitentscheiden, vor allem dann, wenn ihre direkten Interessen betroffen sind.
Begünstigt durch die Möglichkeiten des Internets haben sich neue Formen der Beteiligung entwickelt, mit deren Hilfe versucht wird, politische Anliegen zu vertreten und durchzusetzen. Dazu gehören z. B. die offenen Diskussionsforen für politische und gesellschaftliche Debatten in den sozialen Netzwerken des Internets, themenorientierte Online-Kampagnen, Online-Protestaktionen, online-gestützte Planungsverfahren.

 

Der hier zum Ausdruck gebrachte Wille zur Mitgestaltung und zum Engagement ist positiv für die Demokratie, die vom Engagement und der Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger lebt. Die Möglichkeiten der direkten demokratischen Beteiligung fördern die Einbeziehung der Menschen über die Wahlen hinaus an Gestaltungsaufgaben der Gesellschaft, insbesondere dann, wenn es ihr Lebensumfeld betrifft. Auch denjenigen, die hier leben, aber nicht wahlberechtigt sind, eröffnen sich durch die neuen Beteiligungsformen Chancen auf Mitwirkung und Übernahme von Verantwortung.

 

Gleichzeitig lässt sich beobachten, dass das Interesse an den klassischen Beteili-gungsformen nachgelassen hat. Davon zeugen Bürgerproteste und Großdemonstrationen, sinkende Wahlbeteiligungsraten und rückläufige Mitgliederzahlen der politischen Parteien, mit denen die Repräsentierten zum Ausdruck bringen, dass sie sich durch die Repräsentanten nicht mehr hinreichend vertreten fühlen. Das Misstrauen gegenüber Politik und Politikern ist groß. Die globalen Entwicklungen der letzten Jahre – soziale Differenzierung, Beschleunigung und zunehmende Komplexität des Alltags, Finanz- und Wirtschaftskrise, Migration und Bildungsprobleme – haben diesen Prozess verstärkt.

 

Die Verantwortlichen in den Parlamenten und Regierungen sind gefordert, der Ent-fremdung von Bürgern/Bürgerinnen und Politik entgegenzuwirken, Beteiligungswünsche aufzugreifen, vorhandene Beteiligungsformen stärker zu nutzen und Beteiligungsrechte zu erweitern. Dabei müssen sie sicherstellen, dass sich alle beteiligen können, dass der Minderheitenschutz gewährleistet ist und dem Allgemeinwohl genützt wird.

 

Den Trägern der politischen Bildung kommt vor dem Hintergrund dieser Entwicklung eine besondere Rolle zu. Sie greifen die verschiedenen Beteiligungsformen wie Wahlen, Parteien, Bürgerinitiativen, soziale Bewegungen, internet-basierte Foren auf und machen sie in ihren Angeboten zum Thema.

 

Politische Bildung entwickelt neue Formen der Beteiligung mit und zeigt Wege auf, diese zu nutzen, z. B. in Schule, Kita, am Arbeitsplatz und im Wohnumfeld.

Politische Bildung unterstützt die Klärung und Aushandlung von Interessen und ermutigt dazu, sich in gesellschaftliche Prozesse einzumischen und zu konstruktiven Lösungen beizutragen. Sie kann dies, wenn sie im Rahmen der Trägerpluralität ihre Werthaltungen einbringt und Position bezieht.

Politische Bildung unterstützt plebiszitäre Prozesse und andere Formen der Teilhabe durch Bildungsangebote, die den Austausch kontroverser Positionen ermöglichen und notwendige Kenntnisse zum Gegenstand der Auseinandersetzung vermitteln.

Politische Bildung hat die Aufgabe, die komplexen Bedingungen für politisches Handeln zu verdeutlichen, um ein realistisches Bild von den tatsächlichen Aktions-möglichkeiten zu gewinnen.

Politische Bildung vermittelt Wissen und Kompetenz, um zu einem begründeten Urteil zu kommen und einen sicheren Standpunkt in Bezug auf die Themenstellung einzunehmen, der auch gegenüber Dritten vertreten werden kann.

Politische Bildung bezieht Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft in die Diskurse ein und eröffnet ihnen Wege zur Teilhabe an der Demokratie.

 

Die Demokratie gewinnt, je mehr Menschen sich interessieren, engagieren und Verantwortung übernehmen, in alten und neuen Beteiligungsformen. Dafür brauchen sie Wissen, Kompetenzen und Motivation. Deren Vermittlung ist die Aufgabe politischer Bildung.

 

Beschluss der AdB-Mitgliederversammlung vom 25. November 2010 in Schney