Stellungnahme zum Kahlschlag bei der Landeszentrale für politische Bildung NRW
Die Landeszentrale für politische Bildung werden wir strukturell und inhaltlich stärken und unabhängiger machen.“ (Koalitionsvertrag von CDU und Bündnis 90/Die Grünen in NRW 2022) Die Unterzeichnenden aus der politischen Bildung fordern die Landesregierung auf, das Vorhaben zur Auslagerung zahlreicher Aufgabenbereiche aus der Landeszentrale für politische Bildung NRW zu stoppen bzw. rückgängig zu machen.
Stattdessen erwarten wir von der Landesregierung, dass sie zur Zielsetzung ihres eigenen Koalitionsvertrags zurückkehrt und die Landeszentrale für politische Bildung stärkt und unabhängiger macht.
Nordrhein-Westfalen braucht eine starke Landeszentrale als Schnittstelle und Interessenvertretung zwischen öffentlicher Hand und zivilgesellschaftliche Organisationen, Bildungseinrichtungen, Schulen, Hochschulen, Medien und anderen, die sich für Demokratie und eine starke demokratische Zivilgesellschaft einsetzen. Nur so kann politische Bildung nachhaltig gestaltet statt nur verwaltet werden.
Bleibt es bei der Absicht der Landesregierung, wird die Landeszentrale diese Rolle nicht mehr wahrnehmen können. Sie verliert nicht nur das Gros ihrer Mitarbeiter*innen und erhebliche Finanzmittel, sondern auch zahlreiche Aufgabenbereiche, die für die Zivilgesellschaft relevant sind. Die Landeszentrale wird für unabhängige Bildungseinrichtungen und für Schulen als kompetenter und handlungsfähiger Akteur für Kooperationen zu schulischer und außerschulischer politischer Bildung ausfallen. Diese Zusammenarbeit ist aber ein Wesensmerkmal der politischen Bildung, wie sie eine offene Gesellschaft benötigt.
Mit den vorbereiteten Maßnahmen wird die politische Bildung in NRW auf die reine Extremismusprävention reduziert. Diese Umdeutung des Aufgabenfeldes ist aus unserer professionellen Sicht strikt abzulehnen. Das Demokratiefördergesetz auf Bundesebene betont die Gleichwertigkeit von Extremismusprävention, Vielfaltgestaltung, Demokratiebildung u n d politische Bildung, wenn es um die Verantwortlichkeit des Staates und Förderung der Arbeit der unabhängigen Organisationen geht. Die staatliche Unabhängigkeit der Akteure der Extremismusprävention ist unabdingbare Gelingensbedingung für den Zugang zu deren Zielgruppen. Davon kann in NRW keine Rede mehr sein, wenn das Vorhaben nicht rückgängig gemacht wird.
Auch der jüngst vorgelegte Demokratiebericht betont die Notwendigkeit, dass die politische Bildung aufsuchender werden muss. Dies hat die Landeszentrale in den letzten Jahren in Kooperation mit unabhängigen Trägern bereits mit den Demokratiewerkstätten vorangetrieben. Hierauf gilt es aufzubauen. Dafür ist aber eine leistungsfähige und gut ausgestattete Landeszentrale erforderlich.
Wir sehen in den Maßnahmen und der Konzentration auf die Extremismusprävention eine Orientierung an einem Menschenbild, das wir ablehnen: Bildungsarbeit darf nicht defizitorientiert sein und die Bürgerinnen und Bürger als potenziell extremistische Gefährder sehen, sondern muss ressourcenorientiert an dem Menschen interessiert sein, der grundsätzlich demokratiefähig ist und zum politischen Handeln befähigt werden kann.
Soziale Desintegration und Radikalisierung kann nicht alleine durch Verhaltensprävention, sondern vor allem durch Verhältnisprävention verhindert werden. Bleibt es bei dem Vorhaben der Landesregierung, wird in Nordrhein-Westfalen politische Bildung verstaatlicht und auf das „freundliche Gesicht“ des Verfassungsschutzes reduziert. Dieses Verständnis von politischer Bildung, verbunden mit der erheblichen Schwächung der Landeszentrale für politische Bildung, kann zum hoch problematischen Präjudiz für andere Bundesländer und gefährliches Signal für aktuelle und mögliche künftige Regierungen in anderen Bundesländern werden.
Unterzeichnende:
- Beer Florian: GEW NRW, Leitungsteam Fachgruppe Erwachsenenbildung.
- Bielenberg Ina: Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten e. V. (AdB), Geschäftsführerin.
- Bremer Urs: Politischer Arbeitskreis Schulen e. V.
- Celik Ayla: GEW NRW, Vorsitzende.
- Gerke-Weipert Ines: Akademie Biggesee gGmbH, komm. Geschäftsführerin.
- Höfer Christian: Europäische Akademie Nordrhein-Westfalen e. V., Direktor.
- Hofmann Niklaas: DGB-Bildungswerk, Politische Leitung DGB Erwachsenenbildungszentrum Hattingen.
- Hülsmann Elke: DGB-Bildungswerk NRW e. V., Geschäftsführerin.
- Kaufmann René: IBZ Schloss Gimborn; Direktor.
- Klein Wilfried; Gustav-Stresemann-Institut e.V. (GSI), Geschäftsführender Vorstand, Vorsitzender des Bundesausschuss politische Bildung (bap).
- Körber Dr. Manfred: Nell-Breuning-Haus, Geschäftsführung.
- Kreutz Berit: Willi-Eichler-Akademie e. V., Leitungsteam Fachgruppe Erwachsenenbildung.
- Kruse Sabine: Forum Demokratie Düsseldorf, Leitung.
- Kundt Andrea: Paul-Gerlach-Bildungswerk, Leitung.
- Lohrscheider Sandra: Forum Eltern und Schule/Austausch und Begegnung, Leitungsteam.
- Mateika Dr. Christiane: Kolping-Bildungswerk Paderborn gGmbH, Leitung Abteilung Erwachsenenbildung.
- Meyer Dr. Lars: werkstatt meyer, Leitung Demokratiewerkstatt Krefeld.
- Mulder Marijke: v.f.h. Verein zur Förderung politischen Handelns e. V., Vorsitzende.
- Nottebohm Ina: Haus Neuland, Geschäftsführerin, Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Bildungswerke.
- Osterhage-Klingler Stephan: GEW NRW, stellvertretender Vorsitzender.
- Paeschke Susan: Arbeit und Leben DGB/VHS e. V.
- Rawert Ute: Politisches Bildungswerk Junge Erwachsene machen Politik (JumP), Leitung.
- Rezwanian-Amiri Natali: Gesellschaft der Europäischen Akademien.
- Rühmann Andrea: Arbeitsgemeinschaft katholisch-sozialer Bildungswerke in der Bundesrepublik Deutschland (AKSB), Geschäftsführung.
- Schilling Martin: Willi-Eichler-Akademie e. V., Geschäftsführer.
- Schmeltzer-Urban Renate: Heinz-Kühn Bildungswerk, Verwaltungsleitung.
- Schröder Markus: aktuelles forum, Leiter.
- Schweizer Sonja: Bildungswerk Stenden, Leiterin, Vorsitzende Landesarbeitsgemeinschaft Demokratischer Bildungswerke (LDB).
- Springenberg-Eich Maria: Leiterin der Landeszentrale für politische Bildung NRW 20094 bis 2020.
- van den Boom Angela: LAAW.nrw, Geschäftsführung.
- Weber Daniel: Gustav-Stresemann-Institut e.V. (GSI), Abteilungsleiter Politische Bildung.
- Wegener Elke: Internationales Bildungs- und Begegnungswerk e. V.
- Widmaier Benedikt: Politikwissenschaftler, ehem. Akademieleiter, Mitglied im Bundesvorstand der DVPB.
- Wohnig Dr. Alexander: Deutsche Vereinigung für Politische Bildung, Bundesvorsitzender.
- Zajic Jan: Heinz Kühn Bildungswerk, Pädagogischer Leiter, stellv. Vorsitzender Landesarbeitsgemeinschaft Demokratischer Bildungswerke (LDB)