“Demokratie
braucht
politische Bildung”

Umgang mit Diskriminierung und Radikalisierung

Gegenstrategien politischer Bildung
AdB-Projekte in Bundesprogrammen

Diskriminierung, Antisemitismus und Rassismus sind Indikatoren für Denkformen der Ungleichwertigkeit und damit für Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Um diesen Faktoren mit politischer Bildung entgegenzuwirken, ist eine fundierte Expertise in diesem Themenbereich notwendig. Zu diesem Zweck wurde das Fachreferat „Religiös begründeter Extremismus“ als steuernde, entwickelnde und qualifizierende Stelle im AdB etabliert. Es soll die im Verband vorhandene Expertise sammeln, bündeln und weiter auf- und ausbauen. Auch die Weiterentwicklung von wirkungsvollen Ansätzen der politischen Bildung in diesem Themenbereich ist Aufgabe des Fachreferats.

 

Foto: Stefanie Meyer

Die Bildungsplattform politischbilden.de

 

Um diesem Auftrag auch über die Verbandsreichweite hinaus gerecht zu werden, wurde vom Fachreferat eine digitale Bildungsplattform geplant und ihre technische und gestalterische Umsetzung in Auftrag gegeben. Auf ihr sollen vorhandene, aufbereitete Methoden, Konzepte, Ideen und Erfahrungen im Themenbereich gesammelt und als Open Educational Resources (OER) allen Aktiven im Bereich der politischen Bildung zur Verfügung gestellt und damit die politische Bildung insgesamt unterstützt und gestärkt werden. Die Online Plattform wurde dafür in enger Abstimmung mit der beauftragten Agentur entwickelt. Zeitgleich wurden in Kooperation mit Mitgliedseinrichtungen und weiteren Expert*innen erste Inhalte erstellt. Viele der Autor*innen und angefragten Organisationen waren bereit, sich mit einem Profil auf der Plattform zukünftigen Nutzer*innen als Ansprechperson zu präsentieren. Damit war ein erster Auftakt zur Vernetzung gemacht. Auf der Mitgliederversammlung des AdB im November konnte eine erste Version von politischbilden.de vorgestellt werden. Um den Betreuungs- und Arbeitsaufwand rund um die Plattform auch mit Blick auf die kommenden Jahre möglichst gering zu halten, wurde der Vorgang des Material-Einreichens noch einmal komplett überarbeitet und über ein Online-Formular direkt in die Plattform implementiert unter Beachtung aller Datenschutzbestimmungen. Seit 2020 ist politischbilden.de online. An- und eingesehen werden kann sie hier.

 

„Politische Bildung und Phänomenübergreifende Prävention“

 

Als qualifizierende Stelle konzipierte das Fachreferat eine Fortbildungsreihe zum Thema „Politische Bildung und Phänomenübergreifende Prävention“. Ideen und Äußerungen der Ungleichwertigkeit werden oft religiös, völkisch, ethnisch oder kulturalistisch begründet und finden immer häufiger Eingang in private und öffentliche Diskurse. Bislang werden sie aber meist in unterschiedlichen Präventionsangeboten verhandelt. Gerade für heterogen zusammengesetzte Gruppen wie z. B. Schulklassen kann jedoch ein Phänomen-offener Zugang sinnvoll sein. In vier Modulen wurden deshalb, Handlungskompetenzen für den Umgang mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, Rechtsextremismus und religiös begründeten Extremismus anhand eines Interventionsplans vermittelt. Themenschwerpunkte waren Medien, Gender/Geschlechterrollenbilder, Diversität/rassismuskritische Bildungsarbeit und Antisemitismus. Die vier Module bauten aufeinander auf, standen thematisch jedoch für sich, sodass Teilnehmende die Möglichkeit hatten, sowohl die gesamte Fortbildungsreihe zu besuchen, als auch nur einzelne Einheiten. Neben Hintergrundwissen wurden bewährte Methoden der politischen Bildung vorgestellt und gemeinsam neue Ideen für das je eigene Arbeitsfeld entwickelt.

 

Foto: Stefanie Meyer

 

Die Fortbildung wurde gemeinsam mit cultures interactive e. V. realisiert. Der Verein verbindet in seinem Projekt PHÄNOcultures einen jugendkulturellen Ansatz mit phänomenübergreifender Präventionsarbeit. Dieser Ansatz eignete sich besonders für Arbeit und Einsatzort der Respekt Coaches an den Schulen. Seit der Mitgliederversammlung im November 2019 ist cultures interactive e. V. auch Mitglied im AdB.

 

Zusammenarbeit mit Respekt Coaches

 

Das Fachreferat ist vermittelnde Anlauf- und Kontaktstelle, wenn Respekt Coaches für eigene Projekte an den Schulen nach geeigneten Kooperationspartnern aus der politischen Bildung suchen. Bei den bundesweiten Respekt Coaches-Schulungen und auch Fortbildungen für die Respekt Coaches der Zentralstelle des IB hat das Fachreferat verschiedene Angebote verantwortet, so z. B. bei den Schulungen im Frühjahr eigene Workshops angeboten. Bei den Schulungen im Herbst erfüllte das Fachreferat den vielfachen Wunsch der Respekt Coaches nach einem Einführungs-Workshop in die Betzavta-Miteinander Demokratie Methode. Als Referentin wurde Gabriele Wiemeyer vom GSI Bad Bevensen, eine Mitgliedseinrichtung des AdB, gewonnen. Die Fortbildungen boten darüber hinaus die gute Gelegenheit, über den AdB zu informieren und den Respekt Coaches die Mitgliedseinrichtungen als potentielle Kooperationspartner nahezubringen.

 

Foto: Stefanie Meyer

 

Im August fand ein Austauschtreffen der Fachstelle und der bundesweiten Zentralstellen der JMD Respekt Coaches sowie der Gemini-Projekte in den Räumlichkeiten des AdB statt. Themen waren die Reflexion der Strukturen und die zukünftige, strategische Ausrichtung.

 

AdB-Mitgliedseinrichtungen als Pilotstandorte

 

Angeregt durch Anfragen und Rückmeldungen von Respekt Coaches, die einen Bedarf an flexibleren Formaten der politischen Bildung äußerten, probierten zunächst vier AdB-Mitgliedseinrichtungen als sogenannte Pilotstandorte neue Formen von präventiven Angebote der politischen Bildung aus. Dabei wurden Bildungsformate mit Jugendlichen im Themenfeld getestet, den Bedarfen entsprechend angepasst und die Ergebnisse zuletzt dokumentiert. Die Beschreibungen der neu entwickelten Formate wurden als Materialien auf der Bildungsplattform politischbilden.de zur freien Nutzung und Weiterentwicklung zur Verfügung online gestellt.

 

Weiterentwicklung des Verbandes

 

Politische Bildner*innen aus AdB-Mitgliedseinrichtungen, die mit dem Thema Radikalisierungsprävention befasst sind, trafen sich zwei Mal, in der Denkfabrik I und II, zum intensiven fachlichen Austausch. Im Fokus stand dabei die Frage, wie Ansätze der Extremismus- und Radikalisierungsprävention mit dem Verständnis und den methodischen Ansätzen der politischen Bildung vereinbar sind. Wie verorten sich die politischen Bildner*innen in ihrem Arbeitskontext, wo sind Überschneidungen, wo Abgrenzungen? Dabei wurde der Blick auch auf die europäische Ebene gehoben, genauer gesagt auf den Referenzrahmen des Europarats für demokratische Kultur. Diskutiert wurde, inwiefern der Referenzrahmen ein mögliches Bindeglied darstellen kann zwischen politischer Bildung und Prävention.

 

Politische Bildung und Soziale Arbeit: In der Kooperation beider Arbeitsfelder liegt ein hohes Potenzial für wirksame Strategien der Radikalisierungsprävention

 

In der aktuellen Debatte über wirksame Ansätze der Radikalisierungsprävention bei Jugendlichen spielt die Soziale Arbeit eine entscheidende Rolle. Da sie näher und meist über einen längeren Zeitraum hinweg mit der Zielgruppe zusammenarbeitet, kann sie als Kooperationspartner und damit auch als Türöffner für die politische Bildung dienen. Es ist davon auszugehen, dass der Nutzen groß ist, wenn beide Handlungsfelder kooperieren, ihre Schnittstellen eruieren, sich ihres eigenen professionellen Auftrags bewusstwerden und sich letztlich in ihren Expertisen ergänzen. Daher wurden Maßnahmen mit der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg und der Alice Salomon Hochschule in Berlin initiiert. Im Januar konnten an beiden Hochschulen Workshops mit Studierenden der Sozialen Arbeit durchgeführt werden mit dem Ziel, Verknüpfungen und Überschneidungen der politischen Bildung und der Sozialen Arbeit im Hinblick auf das Handlungsfeld der Extremismusprävention zu ermitteln und dafür zu sensibilisieren. Die praxisorientierte, kooperative Gestaltung der Angebote ermöglichte es den teilnehmenden Studierenden, viele Anregungen für ihre pädagogischen Tätigkeiten mitzunehmen.

 

Praxisforschungssemester bestätigt Erwartung

 

An der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg konnte im SS 2019 zudem ein Praxisforschungssemester zu diesen Berührungs- und Überschneidungspunkten angeboten werden. Ziel des Forschungssemesters war es, in ausgewählten Landkreisen Baden-Württembergs exemplarisch Akteur*innen der Sozialen Arbeit und der außerschulischen politischen Bildung zu erfassen und im Hinblick auf ihre Zusammenarbeit zu untersuchen. Zugrundeliegende Forschungsfragen waren dabei: Welche Akteure arbeiten in diesem Feld? Welches professionelle Selbstverständnis haben sie? Wie arbeiten sie zusammen – mit welchen Strategien und Angeboten? Wie ist ihr Umgang mit den Themen Extremismus und Radikalisierungsprävention? Die Ergebnisse der Studierenden bestätigten die Einschätzung des Fachreferats. Die Themen Soziale Arbeit, politische Bildung und Extremismus-/Radikalisierungsprävention werden auf lokaler Ebene zunehmend zusammen gedacht. Dies wird aber vor allem durch Finanzierungen durch Bund und Länder vorangetrieben und ist eher weniger mit einer Notwendigkeit im Bereich der Kinder- und Jugendbildung begründet.

Höhepunkt der Kooperation mit der EH Ludwigsburg war die gemeinsame Fachtagung „sozial und politisch? Wo überschneiden sich die Handlungsfelder der Sozialen Arbeit und der politischen Bildung?“ Sie wurde von mehr als 120 Multiplikator*innen der sozialpädagogischen Praxis und der politischen Bildung sowie Studierenden der Sozialen Arbeit besucht. Die Fachtagung zeigte anhand der gewählten Vortragsthemen und durch die Gestaltung des Programms auf, inwiefern sich akademische Theorie und pädagogische Praxis gegenüberstehen und wo sie doch auch miteinander vereinbar Hand in Hand gehen können.