“Demokratie
braucht
politische Bildung”

Demokratie in Gefahr? Rechtspopulismus und die Krise der politischen Repräsentation

28.11. 2016

Der Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten (AdB) setzt sich für eine demokratische Gesellschaft ein, die sich durch eine Vielzahl von Interessen und eine Pluralität von Werten, durch die Unterschiedlichkeit von Lebensentwürfen und politischen Überzeugungen auszeichnet. Diese verschiedenen Interessen miteinander in einen Austausch zu bringen, Kompromisse zu finden und Konflikte zu regulieren ist die Kernaufgabe der repräsentativen Demokratie. Es hat sich jedoch gezeigt, wie leicht demokratische Strukturen durch Polarisierung und rechtspopulistisches Agieren erschüttert und die Legitimität demokratischer Entscheidungen und Instanzen in Frage gestellt werden können. Diese Entwicklung hat die politische Kultur negativ verändert und zum Erstarken von offen als rechtsextrem erkennbaren Einstellungen und Gruppen geführt.

 

Krise der politischen Repräsentation

In der Wahrnehmung vieler hat sich eine Distanz herausgebildet zwischen Bürgerinnen und Bürgern und politischen Eliten. Die Gründe dafür sind vielschichtig und komplex. Sie liegen vor allem in der sozialen Spaltung und in gesellschaftlichen Exklusionsprozessen, die dem Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes zuwider laufen. Sie sind zudem in der abnehmenden gesellschaftlichen Bindungs- und Integrationskraft von Parteien, Gewerkschaften und Religionsgemeinschaften zu finden sowie in der sinkenden Bereitschaft, sich langfristig politisch zu engagieren. Sie liegen in der Transformation des öffentlichen Meinungs- und Willensbildungsprozesses durch die digitalen Medien und nicht zuletzt sind sie eine Folge der Globalisierung, die politischen Regelungsbedarf in supranationale Institutionen verlagert hat, ohne dass diese über eine direkte demokratische Legitimation verfügen.

Viele Bürgerinnen und Bürger haben den Eindruck gewonnen, dass sich Politik und politisch Verantwortliche von ihrer Lebenswelt entfernt haben und sich um ihre Belange nicht kümmern. Der eigene Einfluss auf Politik wird als gering eingeschätzt, die eigene politische Beteiligung z. B. durch die Ausübung des Wahlrechts zunehmend als wirkungslos angesehen. Dieses Gefühl der Entfremdung und Überforderung nutzen Rechtspopulisten.

 

Rechtspopulismus im Aufschwung

Rechtspopulisten, die z. B. als Rednerinnen und Redner auf den Kundgebungen der Pegida-Bewegung auftauchen oder eine ideologische Heimat in der Partei „Alternative für Deutschland“ gefunden haben, stellen vermeintlich einfache Fragen und geben Antworten, die die Komplexität der Sachverhalte ausblenden. Sie bedienen sich eines simplen Weltbildes von „unten“ und „oben“, das dazu dient, die Legitimität der repräsentativen Demokratie zu bestreiten. Ihre propagierte Fiktion eines homogenen „wir“ wertet alle anderen, die nicht diesem „wir“ angehören, ab. Damit verbunden sind ein autoritäres Demokratieverständnis und die Ausgrenzung anderer: Menschen anderer Hautfarbe, Herkunft oder Religion, aber auch derjenigen, die politische Verantwortung tragen, die in den Medien tätig sind oder die sich (ehrenamtlich) um Geflüchtete kümmern. Rechtspopulismus setzt auf Nationalisierung, Ethnisierung und Kulturalisierung sozialer, politischer und ökonomischer Probleme. Er ist antipluralistisch, diskriminierend und rassistisch und damit unvereinbar mit demokratischen Werten.

 

Erhalt der demokratischen politischen Kultur

Der Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten und seine Mitglieder positionieren sich eindeutig und engagiert gegen Rechtspopulismus, Rechtsextremismus und Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Sie sehen es als ihre Aufgabe an, den Stellenwert der Demokratie zu vermitteln und Räume für den demokratischen Diskurs bereitzustellen, in denen Menschen ihre eigene Haltung reflektieren und sich mit anderen Positionen konstruktiv auseinandersetzen können.
Im Hinblick auf den aktuellen Rechtspopulismus und die Bedrohung der repräsentativen Demokratie sehen sie ihre Aufgabe insbesondere darin,

  • Bürgerinnen und Bürger in die Lage zu versetzen, die antidemokratischen und menschenfeindlichen Potenziale rechtspopulistischer Agitation on- wie offline zu erkennen, aufzudecken und dagegen vorzugehen;
  • der Themensetzung der Rechtspopulisten entgegenzutreten. Dazu gehört, Begriffe, die z. B. nationalsozialistisch belegt sind, als solche zu benennen und nicht zu übernehmen, damit sie nicht Teil des öffentlichen Diskurses werden.
  • den untrennbaren Zusammenhang zwischen freien Medien und einer demokratischen, offenen Gesellschaft aufzuzeigen und die unverzichtbare Rolle der Medien in der Demokratie zu vermitteln;
  • demokratische Grundprinzipien wie Dialogbereitschaft, Gleichwertigkeit, Gewaltfreiheit und Anerkennung der Menschenrechte zu stärken;
  • Partizipationsmöglichkeiten an Politik und Gesellschaft aufzuzeigen, Kompetenzen zur politischen und gesellschaftlichen Beteiligung zu vermitteln und die Motivation zur Mitwirkung zu stärken – gerade auch bei denjenigen, die sich abgehängt und ausgeschlossen fühlen.

 

Gesellschaftspolitische Aufgaben

Politische Bildung braucht zur Umsetzung ihrer Ziele die Unterstützung und Wertschätzung der Politik. Es muss politischer Konsens sein, dass die außerschulische politische Bildung unabdingbarer Bestandteil der Bildung jugendlicher und erwachsener Menschen ist.

 

Im Hinblick auf den erstarkten Rechtspopulismus und die Bedrohung der repräsentativen Demokratie sehen der AdB und seine Mitglieder die Aufgaben der politisch Verantwortlichen insbesondere darin,

  • bürgernahe Beteiligungsformen zu entwickeln und  zu fördern, die es allen Menschen ermöglichen, ihre Anliegen und Interessen einzubringen und Gehör zu finden;
  • dem durch Rechtspopulisten propagierten Gegensatz von „wir“ und „die anderen“ entgegenzutreten mit dem Ziel,  alle in die Ausgestaltung des demokratischen Gemeinwesens einzubeziehen;
  • sich für die Stärkung zivilgesellschaftlicher Strukturen einzusetzen, da diese eine Scharnierfunktion einnehmen und sowohl den gesellschaftlichen Zusammenhalt befördern als auch Interessen und Anliegen der Gesellschaft an Politik weiterleiten;
  • sich mit den von rechtspopulistischer Agitation und rechtsextremer Gewalt Betroffenen solidarisch zu zeigen und sie zu schützen.

 

Mehr denn je gilt, dass Demokratien aufgeklärte Demokratinnen und Demokraten brauchen und dass Demokratie immer wieder (neu) gelernt werden muss. Diese Daueraufgabe kann nur im Zusammenspiel von Politik und politischer Bildung erfolgreich wahrgenommen werden. Die Träger und Einrichtungen politischer Bildung im AdB qualifizieren und motivieren Menschen, ihren Alltag – egal ob in Familie, Freizeit, Schule oder Arbeitswelt – demokratisch zu gestalten. Die politisch Verantwortlichen müssen dauerhaft die Beteiligungsrechte und -möglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger an einer transparenten und dem Gemeinwohl dienenden Politik stärken, um die Partizipation aller als demokratische Grundvoraussetzung zu garantieren.

 

Verabschiedet auf der Mitgliederversammlung des AdB am 24.11.2016 in Vlotho