“Demokratie
braucht
politische Bildung”

Politische Bildung und Prävention zwischen Islam, Islamfeindlichkeit und Islamismus

Foto: Lea Jaenicke
1.11. 2018

Fortbildung zur Sensibilisierung politischer Bildner*innen

Wann werden auf dem Boden von Religion und Religiosität Angelegenheiten verhandelt, die eine Frage von Zugehörigkeit berühren? Wie wirken sich Fremdzuschreibungen und Diskriminierungserfahrungen auf die Identitätsbildung Heranwachsender aus und welche Rolle spielen sie in möglichen Radikalisierungsprozessen?

 

Mit Fragen wie diesen führte Götz Nordbruch von ufuq e. V., den das AdB-Fachreferat „Religiös begründeter Extremismus“ als Referent eingeladen hatte, die Teilnehmenden durch die Fortbildung am 18. Oktober 2018 in der Berliner Stadtmission. Ziel war es, einerseits für extremistische Tendenzen zu sensibilisieren, andererseits aber auch jenseits der oft aufgeregten öffentlichen Debatten um „Parallelgesellschaften“ oder über eine Islamisierung Deutschlands ein Gefühl für die unterschiedlichen Ausdrucksformen von Religiosität und die religiösen Interessen von Jugendlichen zu entwickeln.

 

Anhand von vielen Beispielen aus Social-Media-Beiträgen, Kommentaren, Songtexten und Videoclips wurden zunächst Diskriminierungserfahrungen von Jugendlichen in den Blick genommen und ihre Bedeutung im Hinblick auf mögliche Radikalisierungsprozesse untersucht. Dabei gelang es dem Referenten, Reaktionsverläufe in den Haltungen junger Menschen entlang gesellschaftlicher Ereignisse und Verhandlungen nachzuzeichnen und so auch die Stellen aufzuzeigen, wo religiöse Extremisten in ihrer Anwerbung ansetzen und warum sie damit teilweise auch verfangen können.

 

Bei der Sensibilisierung für die Attraktivitätsmomente salafistischer Ansprache wurde deutlich, dass es oft in erster Linie gesellschaftsrelevante oder auch aktuelle, politische Themen sind, die die Jugendlichen umtreiben und auf die Extremisten ihr Religions- und Glaubensverständnis als sowohl einfache wie auch sinn- und identitätsstiftende Antwort setzen.

 

Häufig werden Fragen von Zugehörigkeit und Identität sowie gesellschaftliche Probleme auf dem Gebiet von Religiosität verhandelt. Mit dieser neu erarbeiteten Perspektive waren die Teilnehmenden im Anschluss gefragt, anhand von weiterem Filmmaterial selbst Einschätzungen abzugeben, wann sie bestimmte Äußerungen oder Haltungen als problematisch empfinden würden und wann und warum nicht. Die unterschiedlichen Beurteilungen wurden in der Gruppe diskutiert. Dabei traten auch die eigenen Bewertungskriterien zu Tage und konnten selbstkritisch reflektiert werden.

 

Im letzten Teil der Veranstaltung tauschten sich die Teilnehmenden darüber aus, wo sie Ansatzknüpfungspunkte für die politischen Bildner*innen sehen. Wie kann politische Bildung auf gesellschaftliche Bruchlinien einwirken und soziale Bindung und Kompetenzen sowie die Erfahrung von Selbstwirksamkeit bei jungen Menschen stärken? Die Teilnehmenden berichteten aus den eigenen Arbeitskontexten, wo bereits gute Erfahrungen gemacht worden sind und interessante Ansätze bestehen. Gemeinsam beratschlagten sie, wie diese weiterzuentwickeln sind, um Erfahrungen der Zugehörigkeit und Gemeinschaft in heterogenen Gruppen zu fördern.

 

Ufuq e. V. ist Träger der freien Jugendhilfe und politischen Bildungsarbeit und arbeitet zu Prävention und den Themen Islam, Islamfeindlichkeit und Islamismus. Götz Nordbruch ist Islam- und Sozialwissenschaftler, Mitbegründer und Co-Geschäftsführer des ufuq e. V. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten zählen Jugendkulturen zwischen Islam, Islamfeindlichkeit und Islamismus, Mediennutzung von jungen Muslim*innen und Migrant*innen sowie Prävention von islamistischen Einstellungen in schulischer und außerschulischer Bildungsarbeit.