“Demokratie
braucht
politische Bildung”

Politische Bildung mit geflüchteten Jugendlichen – Konzepte. Erfahrungen. Perspektiven

Teilnehmende aus dem Projekt „Jugendliche aktiv gegen Vorurteile“ der Evangelischen Jugendsozialarbeit Nürnberg präsentieren ihre Projektergebnisse.
Foto: Sepehr Atefi
7.10. 2019

Abschlussveranstaltung im Projekt „Empowered by Democracy“ in Berlin

Am 25. und 26. September 2019 fand in Berlin die Abschlusstagung des Projekts „Empowered by Democracy. Stärken. Bilden. Vernetzen.“ statt. Mehr als 80 Teilnehmende kamen im Jugendkulturzentrum PUMPE in Berlin zusammen, um gemeinsam die letzten zweieinhalb Jahre des Projekts Revue passieren zu lassen, Ergebnisse zu präsentieren und zu diskutieren und sich austauschen.

 

Die Teilnehmenden kamen aus dem ganzen Bundesgebiet in Berlin zusammen, um zurück und nach vorne zu blicken und gemeinsam den Projektabschluss zu feiern. Nach einem Auftakt mit Begrüßung und einem Kennenlernen mit der Kugellager-Methode im großen Saal des Jugendkulturzentrums Pumpe in Berlin Schöneberg, startete ein Rückblick auf das Projekt anhand von Eindrücken aus der Praxis.

 

An vier verschiedenen Stationen zeigten junge Teilnehmende mit und ohne Fluchterfahrung, die im Rahmen von „Empowered by Democracy“ an Veranstaltungen teilgenommen haben oder zu Teamer*innen qualifiziert wurden, Eindrücke aus ihren Maßnahmen und Projekten. Die von den Teilnehmenden durchgeführten halbstündigen Kurz-Workshops reichten vom gemeinsamen Köfte-Zubereiten und der dabei diskutierten Frage „Was hat Essen mit politischer Bildung zu tun?“ über die Präsentation von selbst geschriebenen Gedichten bis zu einem Workshop zu syrischer Geschichte.

 

Aus dem AdB präsentierten Teilnehmende der Jugendbildungsstätte Kaubstraße in Berlin Eindrücke aus ihrer Seminarreihe „Come as you are“. Auch Teilnehmende und Jugendbildungsreferent*innen aus fast allen anderen im Projekt beteiligten AdB-Mitgliedseinrichtungen nahmen an der Veranstaltung teil.

 

In der anschließenden Fishbowl-Diskussion stand die Frage im Mittelpunkt: „Was macht uns stark für die Teilhabe an einer lebendigen Demokratie?“ Neben vielen positiven Erfahrungen von denen Teilnehmende mit eigener Fluchterfahrung in Deutschland und in der politischen Bildung berichteten, wurden auch viele Herausforderungen beim Ankommen und der Teilhabe in Deutschland benannt. Wer immer als zugewandert und nicht zur deutschen Gesellschaft zugehörig betrachtet wird, für den sind die Hürden, sich heimisch zu fühlen und etwas beizutragen besonders hoch. Deutlich wurde aber vor allem: Die jungen Menschen wollen teilhaben und Demokratie mitgestalten – auch wenn ihnen das nicht immer einfach gemacht wird.

 

Am Abend feierten die Teilnehmenden dann gemeinsam unter dem Motto „Alle an einem Tisch – Erfahrungen teilen, voneinander lernen“. An langen Tischen, die Gelegenheit zum Austausch und später zum gemeinsamen Essen boten, begrüßte Juliane Seifert, Staatssekretärin im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), die Teilnehmenden. Sie betonte in ihrer Rede, wie wichtig politische Bildung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Weiterentwicklung der Demokratie sei. „Engagement und Teilhabe halten unsere Demokratie aufrecht und unser Miteinander am Leben“, so Seifert.

 

In einer anschließenden Gesprächsrunde diskutierte der Moderator Michel Abdollahi mit Asem Alsayjare, Referent der Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern, und mit den Teamer*innen Kinda Muhsen, Joudi Muhsen und Ahmad Alkridi. Die drei jungen Teamer*innen sind erst vor rund drei Jahren nach Deutschland gekommen und haben sich in kurzer Zeit zu politischen Bildner*innen weitergebildet. Sie diskutierten über die Frage, was ein gutes Zusammenleben in Deutschland bedeutet und was junge Menschen mit Fluchterfahrung stärkt, um sich in demokratische Debatten erfolgreich einbringen zu können.

 

Barbara Menke, Vorsitzende des Bundesausschuss Politische Bildung (bap e. V.), hob hervor, wie wichtig eine ausreichend und dauerhaft finanzierte bundesweite Struktur der außerschulischen politischen Jugendbildung ist, um sich für eine vielfältige Gesellschaft und ein friedliches Zusammenleben ohne Hass, Hetze und Ausgrenzung einzusetzen.

 

Qassim Alhumayyer, der vor dem Krieg in Syrien nach Deutschland geflohen ist, sagte: „Die politische Bildung hat vieles für mich getan. Die Erfahrung, innerhalb nur eines Jahres vom Teilnehmer zum Teamer der politischen Bildung zu werden, war großartig. Das war Empowerment!“

 

Özlem Topuz, Projektkoordinatorin in der Jugendbildungsstätte Kaubstraße, Hozaifa Khalaili und Wael Bisher, Teamer*innen der politischen Jugendbildung, zeigten im abschließenden Gespräch auf, wie sie ihre Begegnungen bereichert haben. Mit musikalischer Begleitung der „Madar Band“ klang der Abend bei Gesprächen und gemeinsamen Essen aus.

 

Der zweite Tag der Veranstaltung richtete dann den Blick in die Zukunft: Was bleibt vom Projekt? Wie lassen sich Erkenntnisse und Ergebnisse in der politischen Jugendbildung nachhaltig etablieren? Was brauchen neue Teamer*innen, um auch zukünftig aktiv zu sein?

 

In fünf thematischen Workshops wurde ausprobiert und diskutiert und daran anschließend in einer kurzen Podiumsdiskussion zur Frage „Was nehmen wir aus dem Projekt mit für unsere politische Bildungsarbeit?“ vertieft. Deutlich wurde, dass die Entwicklung der beteiligten Träger hin zu mehr Diversität zwar begonnen hat, jedoch noch viele weitere Hürden zu nehmen sind, bis diese Diversität auch auf allen Ebenen sichtbar wird.

 

Im letzten Veranstaltungsteil hob Professor Dr. Aladin El-Mafaalani von der Universität Osnabrück in seiner Keynote unter dem Titel „Die Rolle der politischen Bildung für Aushandlungsprozesse und eine demokratische Streitkultur in der Migrationsgesellschaft“ hervor, dass die Bedeutung von politischer Bildung in einer Gesellschaft, die darum kämpft eine offene Gesellschaft zu bleiben, eine hohe und steigende Bedeutung zukommt (Der Vortrag wird zeitnah über die Projekthomepage als Video zur Verfügung gestellt).

 

Zum Projekt:
„Empowered by Democracy“ zielt darauf ab, mehr junge Menschen mit Fluchthintergrund als Zielgruppe in die Jugendbildungsmaßnahmen der AdB-Mitgliedseinrichtungen einzubeziehen sowie noch stärker Jugendliche mit Migrationshintergrund in die Bildungsarbeit einzubinden. Darüber hinaus sollen junge Geflüchtete ermutigt und dazu befähigt werden, selbst Teamer*innen zu werden und sich in selbst gewählten Formaten der politischen Bildung mit Themen aus ihrem Lebensumfeld auseinanderzusetzen. Das Projekt realisiert der AdB seit 2017 im Verbund mit vier weiteren Mitgliedern der Gemeinsamen Initiative der Träger Politischer Jugendbildung (GEMINI) im Bundesausschuss politische Bildung (bap e. V.). Es wird aus Mitteln des Bundesprogrammes „Demokratie leben!“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und der Bundeszentrale für politische (bpb) Bildung gefördert.