“Demokratie
braucht
politische Bildung”

Multiperspektivität in der politischen Bildung stärken

Das neue AdB-Modellprojekt „Polyphon! Diversität in der politischen Bildung stärken“
AdB-Projekte in Bundesprogrammen

Der Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten e.V. (AdB) führt zwischen 2019 und 2022 das Projekt „Polyphon! Diversität in der politischen Bildung stärken“ durch. Das Projekt wird von der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb im Rahmen der Förderung von „Modellprojekten zur Modernisierung und zum Ausbau der Trägerstrukturen der politischen Erwachsenenbildung – Stärkung und Diversifizierung“ gefördert.

Eine plurale Gesellschaft muss sich auch auf Akteursebene widerspiegeln
zettberlin/photocase

Polyphon bedeutetet, verschiedene Stimmen und Perspektiven wahrzunehmen

 

Der Projektname Polyphon! bedeutet nicht nur Vielstimmigkeit, sondern in Anlehnung an den Literaturwissenschaftler Michail Bachtin auch, dass die (Roman-)Geschichte nicht von einem dominanten Erzähler geprägt ist, sondern gerade durch einen Dialog verschiedener Stimmen und Perspektiven entsteht. Polyphon! steht damit auch symbolhaft für die Projektausrichtung und das Ziel des AdB: Der Verband möchte in Bezug auf (post-)migrantische Vereine und Minderheitsorganisationen vielfältiger werden und zu einer Stärkung einer heterogeneren Bildungslandschaft beitragen. Wie in vielen gesellschaftlichen Bereichen gibt es nicht nur im Verband, sondern in der politischen Bildung insgesamt, ein Repräsentationsdefizit was (post-)migrantische Akteure betrifft. So sind z. B. Minderheitsorganisationen und nicht-weiße Vereine als anerkannte und geförderte Träger in der politischen Bildung unterrepräsentiert. Für den AdB ist die Auseinandersetzung mit Diversifizierungsstrategien – und das gerade nicht nur in Bezug auf Zielgruppen – letztendlich auch eine Antwort auf Teilhabegerechtigkeit und eine Demokratisierung der Strukturen politischer Bildung.

Schwerpunkte des Projekts: Vernetzung mit (post-)migrantischen Organisationen und der (selbst-)kritische Blick auf Strukturen

 

Der Fokus des Projekts liegt auf zwei Aspekten: Zum einen geht es um die Vernetzung und Zusammenarbeit mit (post-)migrantischen Akteur*innen aus dem Bereich der politischen Bildung. Damit soll die Expertise dieser Organisationen im Verband sichtbarer gemacht und eingebunden, sowie eine stärkere Perspektivenvielfalt und eine umfassendere Zielgruppenerreichung im Verband ermöglicht werden.

 

Zum anderen wird der Blick auf die eigenen Verbandsstrukturen gerichtet: Welcher Schritte bedarf es, um vielfältiger zu werden und verstärkt (post-)migrantische Bildungsakteur*innen als Mitglieder zu gewinnen? Welche Bedarfe, Herausforderungen und Potenziale gibt es im Verband in Bezug auf Diversität und Rassismuskritik? Wie ist die Erwachsenenbildung im AdB in diesen Themenbereichen aufgestellt?

In einer Gesellschaft der Vielen ist ein (selbst-)kritisches Hinterfragen von möglichen Leerstellen und blinden Flecken, die eine Repräsentation gesellschaftlicher Diversität bisher in der politischen Bildung verhindert haben, besonders notwendig. Gerade auch etablierte Akteure sollten nicht davor zurückschrecken, sich diese möglicherweise auch einzugestehen und dazuzulernen. Erst dann kann auch ein ernstgemeintes diversitätsorientiertes Handeln in der eigenen Institution umgesetzt und/oder eine gelingende Zusammenarbeit mit (post-)migrantischen Organisationen funktionieren.

Erste Umsetzungsschritte im Projekt

 

Die Umsetzung von Polyphon! begann im Herbst 2019. Die Angebote und Maßnahmen, die im Rahmen von Polyphon ab 2020 umgesetzt werden, richten sich dabei nach den Bedarfen von AdB-Mitgliedseinrichtungen, (post-)migrantischen Organisationen und der Empfehlung des Projetbeirats. Daher lagen die Schwerpunkte in den ersten Monaten auf der Erhebung von Bedarfen und Bekanntmachung des Projektes innerhalb des Verbands und der Vernetzung mit (post-)migrantischen Organisationen, die im Bereich der politischen Bildung aktiv sind.

 

Da ein besonderer Projektschwerpunkt auf der Diversifizierung der politischen Erwachsenbildung liegt, findet eine Zusammenarbeit zwischen Polyphon! und der AdB-Kommission Erwachsenenbildung statt. Auf dem Kommissionstreffen im Herbst 2019 wurde als Ergebnis der Bedarfserhebung vereinbart, dass die Themen Diversitätsentwicklung und Diskriminierungskritik während der Projektlaufzeit zu Querschnittsthemen in den Sitzungen gemacht werden sollen. Im Rahmen von Polyphon! sollen auch Expert*innen von außen eingeladen werden, um damit die fachliche Weiterentwicklung der politischen Erwachsenenbildung in diesen Themenfeldern voranzutreiben.

 

Parallel dazu fanden die ersten Vernetzungstreffen zum Kennenlernen und zur Vorbereitung für eine qualitative Bedarfserhebung von (post-)migrantischen Organisationen und/oder Bildungsakteuren of Color, die im Bereich der politischen Bildung aktiv sind, statt. So gab es u. a. Treffen mit der Türkischen Gemeinde in Deutschland e. V. (TGD e. V.), dem Bundesverband Netzwerke von Migrantenorganisationen e. V. (BV NEMO) und der AG politische Bildung der Bundeskonferenz der Migrantenorganisationen (BMKO). In den ersten Gesprächen zeigte sich schnell, dass es ganz ähnliche Probleme wie bei vielen anderen Bildungsorganisationen gibt: Ohne eine Regelfinanzierung oder längere Projektfinanzierung wird eine Etablierung erheblich erschwert.

 


Zum Hintergrund der BMKO: Im November 2017 kamen erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Migrantenorganisationen aus ganz Deutschland selbstbestimmt und mit eigener Agenda zur ersten Bundeskonferenz der Migrantenorganisationen (BKMO) zusammen. Seither haben bereits vier weitere Konferenzen stattgefunden. Über 100 Vertreter*innen aus 60 Organisationen und Institutionen setzten mit jeder dieser Konferenzen ein deutliches Zeichen: „Wir wollen diese Gesellschaft mitgestalten!“ Die BKMO hat sich seitdem weiterentwickelt und konnte eine hör- und sichtbare Stimme in der Öffentlichkeit werden. So begleitet sie die Arbeit des Kabinettsausschusses zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus kritisch und hat einen eigenen Expert*innenkreis berufen, der kürzlich eine eigene Antirassismus-Agenda 2025 formuliert hat.


 

Polyphon! wird von einem interdisziplinären Projektbeirat fachlich begleitet, der erfolgreich besetzt werden konnte. Er bringt sowohl Expertise aus der Wissenschaft wie auch aus der Zivilgesellschaft und den AdB-Mitgliedseinrichtungen mit. So sind bspw. neben Vertreter*innen aus Migrantenorganisationen wie der TGD e. V. auch namenhafte wissenschaftliche Expert*innen wie Prof. Dr. Karim Fereidooni, und Prof. Dr. María do Mar Castro Varela beteiligt. Von seitens der bpb konnte Peggy Piesche, Referentin für Diversität, gewonnen werden, die zu einer der bekanntesten Stimmen Schwarzer Frauen in Deutschland gehört. Der Beirat bringt damit eine geballte Expertise aus den Bereichen politische Erwachsenenbildung, Rassismuskritik, Intersektionaliät, Postkolonialität und (post-)migrantische Organisationen mit.

 

In einer Migrationsgesellschaft und in einer Zeit, in der rassistische und antisemitische Diskurse eher zu- als abnehmen, sieht es der AdB als eine höchst relevante Aufgabe an, dass sich gesellschaftliche Vielfalt auch in der Trägerlandschaft der politischen Bildung und insbesondere in den eigenen Strukturen spiegelt. Nur so kann die politische Bildung selbst dem Anspruch auf Perspektivenvielfalt wirklich gerecht werden.

 

Ähnlich wie beim Gender-Mainstreaming braucht ein Öffnungsprozess hin zu mehr gesellschaftlicher Vielfalt einen langen Atem, der weit über die Projektlaufzeit hinausgeht. Das AdB-Modellprojekt Polyphon! kann aber erste Schritte dazu gehen.

 

Das Projekt wird von der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb im Rahmen der Förderung von „Modellprojekten zur Modernisierung und zum Ausbau der Trägerstrukturen der politischen Erwachsenenbildung – Stärkung und Diversifizierung“ gefördert.