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"Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit" – ein Konzept für die internationale Bildungsarbeit?

AdB-Kommission Europ. und Int. Bildungsarbeit in Würzburg
1.10. 2014

AdB-Kommission Europäische und Internationale Bildungsarbeit tagte in Würzburg

 

Auf ihrer eintägigen Sitzung vom 15. bis 16. September 2014 in der Akademie Frankenwarte in Würzburg suchte die AdB-Kommission Europäische und Internationale Bildungsarbeit (EIA) nach pädagogischen Ansätzen, das wissenschaftliche Konzept „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ (GMF) in einem internationalen Kontext zu bearbeiten. Zudem wurde auf der Sitzung ein Diskussionspapier zur Neu-Verortung von Europäischer und Internationaler Bildungsarbeit im AdB verabschiedet.

 

Referentin Zehranu Aksu von der bayerischen Koordinierungsstelle von „Schule ohne Rassismus“ eröffnete in ihrem Einführungsvortrag eine gemeinsame Wissensbasis. Auf dieser Grundlage versuchten die Kommissionsmitglieder, das Konzept Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit auf den Schauplatz Internationaler Jugendaustausch zu übertragen.

 

Dies gestaltete sich nicht ganz einfach: Die Herangehensweise, Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ausgehend von einem wissenschaftlichen Analyseraster zu bearbeiten, wurde von den Kommissionsmitgliedern nicht unbedingt geteilt. Viele verwiesen darauf, dass mit Methoden rassismuskritischer und anti-diskriminierender Bildungsarbeit – wie z.B. „Anti-Bias“, „Eine Welt der Vielfalt“ – sowie mit dem Instrumentarium diversitätsbewusster Pädagogik generell genügend Methoden zur Verfügung stehen, um das Phänomen GMF zu bearbeiten. In der Folge entwickelte sich eine Diskussion um drei Fragen:

 

Erstens: Kann eine auf Vielfalt und Diversität abzielende Pädagogik auf einem Konzept wie GMF aufbauen und diesem Analyseraster überhaupt gerecht werden? Die auf Vielfalt und Diversität abzielenden methodischen und pädagogischen Zugänge basieren meist auf der Grundannahme, dass Vielfalt und Pluralität eine positive Zielvorstellung von Gesellschaften sei. Hierbei werden die verschiedenen Teilbereiche und Gruppen in Gesellschaften anerkannt und wertgeschätzt. GMF hingegen konstatiert Mechanismen der systematischen Herabwürdigung und Ausgrenzung aus der Mitte der Gesellschaft heraus. Als problematisch in diesem Zusammenhang wurde auch der Begriff der „Mitte“ gesehen, der zu schwammig ist und alle gesellschaftlichen Gruppen inkludiert.

 

Zweitens: Die Politik der Antidiskriminierung und Grundrechtesicherung in der EU zielt generell eher auf den Bereich des individuellen Grundrechteschutzes und des individuellen Schutzes vor Diskriminierung ab. Wie kann das mit einem Konzept, das explizit Ausgrenzungserfahrungen von Gruppen in den Fokus setzt, in Einklang gebracht werden?

 

Drittens: Bereits im europäischen Kontext findet die Analyse von Diskriminierungskategorien und Ausgrenzungsmechanismen vor oftmals konträren gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, gesellschaftspolitischen Diskursen und Tabus, unterschiedlichen und sich wandelnden Auffassungen vom „politisch Korrekten“ und sich immer wieder neu konstituierenden Populismen statt. Sie ist zudem absolut ungleichzeitig und daher schwer unter einem Analysemuster wie GMF zu handhaben.

 

Insbesondere ausgehend von dem letzten Punkt erscheint es besonders komplex, im internationalen Kontext eine auf GMF fußende Pädagogik zu begründen, die von einem gemeinsamen analytischen Grundverständnis ausgeht. Bietet es sich in der Praxis eher an, auf bestehende Methoden und Zugänge zurückzugreifen und diese in eine übergreifende Thematik GMF einzuordnen? Kann eine explizit menschenrechtsbasierte Bildungsarbeit diesen Zugang erschließen helfen? Die Mitglieder der Kommission waren sich einig, dass eine vertiefende Diskussion der Thematik notwendig ist - auch unter Reflexion der eigenen Bildungsarbeit.

 

Foto:  © AdB