“Demokratie
braucht
politische Bildung”

„1914-2014 – Vom Ersten Weltkrieg zum Friedensnobelpreis für Europa“ – Aktuelle Herausforderungen für die politische Bildung

10.12. 2013

Im Sommer 2014 jährt sich der Ausbruch des Ersten Weltkriegs zum einhundertsten Mal. Der Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten (AdB) nimmt das Gedenken an dieses Ereignis zum Anlass, den Weltkrieg und seine Auswirkungen auf den europäischen Einigungsprozess in den Mittelpunkt seiner politischen Bildung zu stellen.

 

Mit dem Jahresthema „1914-2014 – Vom Ersten Weltkrieg zum Friedensnobelpreis für Europa“ soll dabei weniger das historische Ereignis im Fokus stehen, sondern ausgehend von der Katastrophe des Ersten Weltkriegs soll der Zeitraum dieser einhundert Jahre zusammenhängend betrachtet werden, da das Zusammenwachsen Europas und die Entwicklung der Europäischen Union nur vor diesem Hintergrund zu verstehen sind.

 

Die neuartige Qualität des Krieges, die vor allem durch die Industrialisierung und den massiven Einsatz von Kriegsmaschinen, wie z. B. Kanonen und (Giftgas-) Granaten, Flugzeugen, Unterseebooten und Panzerwagen, zum Ausdruck kam, führte durch die nicht mehr vorhandene Trennung von Zivilbevölkerung und Militärgesellschaft zu einem „totalen Krieg“, der am Ende eine unvorstellbar hohe Zahl an Kriegsverletzten, Kriegstoten und Opfern in der Zivilbevölkerung forderte.

 

Die Kriegsbegeisterung, wie sie Teilen der Bevölkerung vor 1914 zugeschrieben wird, ist in den demokratischen Gesellschaften Europas von heute nicht mehr nachvollziehbar. Dennoch sind auch in jüngerer Vergangenheit Kriege in Europa geführt worden, die in der Bevölkerung geduldet oder unterstützt wurden und gegen die sich kein breiter gesellschaftlicher Protest erhoben hat. Beispiele dafür sind die Balkankriege oder auch die Bürgerkriege in Nordirland und dem Baskenland.

 

Die Vereinigung Europas und eine damit grundlegend verbundene europäische Friedenspolitik dürfen nicht von nationalpopulistischen Parolen geleitet sein, sondern müssen in Gedächtnis und in Verantwortung vor dieser Geschichte immer wieder neu die Frage stellen, wie und womit Frieden im umfassenden Sinne gefördert werden kann.

 

Europäische Friedenspolitik sollte immer die Grundbedingungen friedlichen Zusammenlebens – Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität – zum Maßstab ihres Handelns machen, um dem Bestreben entgegenzuwirken, Konflikte mit kriegerischen Mitteln lösen zu wollen.

 

Die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Montanunion) zu Beginn der 50er Jahre stellt eine logische Konsequenz dar, „an die Stelle der jahrhundertealten Rivalitäten einen Zusammenschluss ihrer wesentlichen Interessen zu setzen und durch die Errichtung einer wirtschaftlichen Gemeinschaft den ersten Grundstein für eine weitere und vertiefte Gemeinschaft unter Völkern zu legen, die lange Zeit durch blutige Auseinandersetzungen entzweit waren“, wie es in der Gründungsurkunde zum Ausdruck kommt.

 

Das Norwegische Nobelpreiskomitee führte in seiner Begründung zur Verleihung des Friedensnobelpreises an die Europäische Union im Jahr 2012 aus, dass Deutschland und Frankreich innerhalb von 70 Jahren drei Kriege geführt haben, und stellte fest, dass heutzutage ein Krieg zwischen beiden Ländern undenkbar sei. Der Aufbau gegenseitigen Vertrauens bildet die notwendige Voraussetzung für Frieden in Europa. Die europäische Geschichte ist auch ein Beispiel dafür, wie Krieg und (Erb-) Feindschaft durch Verständigung und Versöhnung überwunden werden können, ohne dass diese Erinnerungen aus dem kollektiven Gedächtnis verdrängt werden müssen.

 

Dazu haben auch die Träger und Einrichtungen der politischen Bildung ihren Beitrag geleistet. Sie haben Werte wie Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität in den Mittelpunkt ihrer Bildungsarbeit gestellt, auf nationaler und auf europäischer Ebene. Mit zahlreichen internationalen Jugendbegegnungen und Projekten, z. B. mit Frankreich, England und Polen sowie vielen weiteren europäischen Ländern, haben sie Gelegenheiten geschaffen, dass sich vor allem junge Menschen über die Grenzen hinweg begegnen und zentrale Anliegen des friedlichen Miteinanders bearbeiten. Die politische Bildung leistet auch einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung einer demokratischen und kritischen Zivilgesellschaft, deren Vorhandensein geradezu Voraussetzung für die Realisierung eines umfassenden und nicht nur auf Europa bezogenen Friedensprojekts ist.

 

Für die politische Bildung ist die Auseinandersetzung mit den beiden Weltkriegen sowie mit deren politischen und gesellschaftlichen Ursachen und Folgen eine zentrale Herausforderung, um einen wirksamen Beitrag zur (globalen) Friedenssicherung, zur Friedenserziehung und zur Stärkung demokratischer und zivilgesellschaftlicher Strukturen einer Gesellschaft zu leisten, die in der Lage ist, Konflikte friedlich und unter Verzicht auf Gewalt zu lösen.

 

Der AdB regt die Träger politischer Bildung an, die Angebote historisch-politischer Bildung weiter auszubauen, zentrale Aspekte einer europäischen Erinnerungskultur – zu der wesentlich auch die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg gehört – verstärkt zu thematisieren und alle gesellschaftlich relevanten Gruppen anzusprechen. Die Vermittlung der Bedeutung von Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität als Grundlage für eine wirkungsvolle Demokratie und die Durchsetzung der Menschenrechte stellen ein zentrales Ziel der Bildungsarbeit dar.

 

Beschlossen von der Mitgliederversammlung am 28.11.2013