“Demokratie
braucht
politische Bildung”

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Gelingensbedingungen für die außerschulische politische Jugendbildung

Diskussionspapier der Jugendbildungsreferent/-innen und pädagogischen Mitarbeiter/-innen im Programm Politische Jugendbildung im AdB

Politische Jugendbildung stellt eine zentrale Säule der außerschulischen Jugendbildung dar und erfährt durch ihre Verankerung im Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) den Status einer gesetzlich verbrieften Leistung für alle Kinder und Jugendlichen. Das Gelingen der politischen Bildungsarbeit hängt von der Leistungsfähigkeit der Träger und weiteren Rahmenbedingungen ab.

Die vorliegenden Gelingensbedingungen politischer Jugendbildung sind von den Jugendbildungsreferent/-innen des AdB in einem intensiven Diskussionsprozess definiert worden und basieren auf langjährigen Praxiserfahrungen. Sie sind als Anregung für eine Diskussion zu verstehen, zu der die Jugendbildungsreferent/-innen mit diesem Papier aufrufen wollen.

 

Freiheit
Politische Jugendbildung braucht Freiräume. Sie ist frei von ökonomischen und gesellschaftlichen Verwertungskriterien. Das Repertoire der politischen Jugendbildung bietet Handlungsorientierungen für vielfältige Lernarrangements, die auf pädagogischer Erfahrung und wissenschaftlicher Kompetenz aufbauen. In unterschiedlichen Formaten wie z.B. Seminaren, Projekten und Fortbildungen dient der geschützte Raum der Veranstaltung als „Öffentlichkeit unter Anwesenden“. Er ist zugangsoffen und bietet ermutigende Mitmachpotentiale gerade auch für jene, die aufgrund politischer, familiärer oder biografischer Umstände weder positive Identifikationsmuster noch Bezugspunkte zur Teilhabe an Gesellschaft und Öffentlichkeit haben.

Fachkräfte der politischen Jugendbildung initiieren, gestalten und begleiten diesen Prozess. Ihre Aufgabe ist es u.a., Potenziale zu fördern und die Entkopplung von Zuschreibungen voranzutreiben. Sie ermutigen ihre Adressat/-innen, sich für die Herausforderungen in ihrem Wirkungsraum zu öffnen, neue Perspektiven einzunehmen und demokratische Aushandlungsprozesse zu erproben sowie biografische Erfahrungen zu verbalisieren. Als Akteur/-innen erfahren Jugendliche die Bedeutung von Teilhabe und Partizipation. Sie lernen, sich den Anregungen und Kritiken anderer in diskursiver Form zu stellen, sich Wissen anzueignen und die eigenen Kompetenzen zur Selbstorganisation und emanzipatorischen Veränderung zu nutzen.

 

Zugangsoffenheit
Politische  Jugendbildung wird als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden. Diese bedarf immer wieder neuer Anstöße und Ideen. Sie ermöglicht nicht nur die Vielfalt eines Nebeneinanders bestehender Kulturen, sozialer Milieus und weltanschaulicher Unterschiede, sondern auch ständig neue Formen des Zusammenlebens. Das kann nur gelingen, wenn  alle Beteiligte bereit  sind für ergebnisoffene demokratische Veränderungsprozesse. Eine Voraussetzung ist der offene Zugang aller zu politischen Bildungsangeboten.

 

Freiwilligkeit der Teilnahme
Das Prinzip der Freiwilligkeit  ist eine Grundvoraussetzung für die außerschulische politische Bildung. Um diese zu gewährleisten ist die persönliche Ansprache und Information der Zielgruppen notwendig.  Der Zugang zu den potentiellen Teilnehmenden erfordert sowohl die Kooperationsbereitschaft und Öffnung der Schulen und anderen Einrichtungen und Organisationen, als auch professionelle, kontinuierliche und zielgruppenbezogene Ansprachekonzepte.

 

Personal und Professionalisierung
Politische Jugendbildung wird von hauptberuflichen Mitarbeiter/-innen gestaltet, die Bildungskonzepte und  Lernarrangements verantwortlich konzipieren und  umsetzen. Sie müssen fest angestellt sein, einen gut ausgestatteten Arbeitsplatz vorfinden und entsprechend der Tarifverträge vergütet werden. Zur klaren Regelung ihrer Arbeitszeit werden Vereinbarungen im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen getroffen und den besonderen zeitlichen Anforderungen des Seminarbetriebs Rechnung getragen.

Die Bildungsträger in ihrer Funktion als Arbeitgeber garantieren eine umfassende Einarbeitung für alle Mitarbeitenden und ermöglichen regelmäßige Fortbildungen. Frei- und nebenberufliche Honorarkräfte weisen sich mittels Qualifikations- und/oder Kompetenznachweis aus. Die Bezahlung der frei- und nebenberuflichen Honorarkräfte gestaltet sich qualifikations- bzw. erfahrungsbezogen und beträgt mindestens 150 € pro Tag.

 

Verankerung politischer Jugendbildung in Institutionen
Die Vielfalt der politischen Jugendbildung benötigt eine Anbindung an Strukturen und Netzwerke, die sich klar positionieren, sie unterstützen und notwendige Freiräume zum gegenseitigen Austausch zur Verfügung stellen. Die Vernetzung manifestiert sich im Leitbild und Profil der Bildungseinrichtungen.

Für die Entwicklung neuer Konzepte, Seminarvor- und Nachbereitungen, interne und externe Fachberatungen, Fortbildungen sowie Vernetzungen muss ein entsprechendes Zeitbudget definiert und zur Verfügung gestellt werden.

An den Lernorten politischer Jugendbildung, wie z.B. Bildungsstätten, bedarf es einer zielgruppengerechten Ausstattung und infrastruktureller Ressourcen für die methodisch-didaktische Umsetzung der entwickelten Konzepte. Dazu gehören auch das Wissen um und das Eingehen auf zielgruppenspezifische Interessen, Fähigkeiten und Bedürfnisse.

 

Öffentliche Förderung
Politische Jugendbildung wird überwiegend zivilgesellschaftlich durch freie Träger organisiert und befördert mit ihrer Diversität den politischen Diskurs. Um die Vielfalt  außerschulischer Bildungsangebote und Lernorte zu sichern, müssen sich Bund und Länder auf die Unterstützung der unabhängigen Institutionen und Träger konzentrieren.

Förderbedingungen zur Finanzierung von Veranstaltungen der politischen Jugendbildung erfordern:

  • eine Öffnung für innovative unkonventionelle Methoden und Konzepte,  
  • die Vereinfachung der Fördermodalitäten durch die einzelnen Zuwendungsgeber/-innen,
  • die Angleichung der Abrechnungsmodalitäten zwischen den einzelnen Fördergebern,
  • das prozesshafte Gestalten des Programms durch die Seminarleitung und
  • die Einbeziehung der thematischen und methodischen Gestaltungswünsche der Teilnehmenden.

Der Innovationsdruck immer neuer und kurzfristiger Förderprogramme darf nicht zu Lasten einer langfristigen kontinuierlichen Förderung bewährter Konzepte und erfolgreich erprobter Modellprojekte gehen.

Eine Vollfinanzierung von Bildungsmaßnahmen z.B. durch eine Kombination öffentlicher Förderungen von Bund und Ländern garantiert die notwendige Kontinuität der Bildungsarbeit. Diese ermöglicht den Auf- und Ausbau lokaler, regionaler und bundesweiter Netzwerke zur Erarbeitung neuer Konzepte sowie die Gewinnung bislang nur wenig berücksichtigter Teilnehmer/-innengruppen.

Die Idee, den Bildungsurlaub bundesweit einheitlich für Schüler/-innen, Auszubildende und erwerbslose Jugendliche einzuführen, erschließt neue Potentiale, die es zu entwickeln und zu nutzen gilt.

 

Gesellschaftliche Aufwertung von außerschulischer politischer Jugendbildung
Außerschulische politische Jugendbildung muss stärker anerkannt werden - auf individueller, sozialräumlicher, struktureller und politischer Ebene. Ausdruck dieser Anerkennung ist das gesellschaftlich verankerte Bewusstsein, dass nonformale und informelle Bildungsprozesse zur individuellen Kompetenzbildung beitragen. Die gesellschaftliche Anerkennung wird für Beteiligte und die Öffentlichkeit durch die Bereitstellung finanzieller Ressourcen sichtbar.

Um den gesellschaftlichen Wert der außerschulischen politischen Bildung deutlich zu machen und sie  als wichtige Ressource einer demokratischen Gesellschaft  positiv zu besetzen, werden professionelle und öffentlichkeitswirksame Imagekampagnen für zielführend erachtet.

Die Beachtung und Umsetzung dieser Gelingensbedingungen ermöglichen, dass vielfältige, attraktive, nachhaltige und regelmäßige Lernarrangements der  politischen Jugendbildung optimal wirksam angeboten werden.

 

verabschiedet am 13.11.2013 während der Gemeinsamen Projektgruppensitzung in Drochtersen-Hüll