“Demokratie
braucht
politische Bildung”

Eigenständige Jugendpolitik muss Interessenspolitik für Jugendliche sein

31.05. 2013

Positionen des AdB zu den Grundsätzen und Zielen einer Eigenständigen Jugendpolitik der Bundesregierung

 

Die Bundesregierung entwickelte im Rahmen der Umsetzung des Koalitionsvertrages das Konzept einer eigenständigen Jugendpolitik, die ressortübergreifend wirken soll und isolierte Betrachtungen einzelner Teilaspekte jugendlicher Lebenszusammenhänge vermeiden will. Die Eigenständige Jugendpolitik soll „die typischen Herausforderungen und Ambivalenzen des Jugendalters und ihre institutionellen Entsprechungen thematisieren“, so das Grundsatzpapier zur Eigenständigen Jugendpolitik.
 

  1. Der AdB begrüßt und unterstützt den Prozess der Eigenständigen Jugendpolitik, um die Interessen junger Menschen an gesellschaftlicher Teilhabe und Generationengerechtigkeit, für bessere Bildungschancen für alle und gute Bedingungen zum Einstieg in das Erwerbsleben besser in politisches Handeln zu transformieren. Die Lebensphase Jugendlicher muss als Ganzes in den Blick des politischen Handelns genommen werden, um junge Menschen nicht zwischen die Mühlsteine unterschiedlicher Ressorts geraten zu lassen. Eigenständige Jugendpolitik muss daher mehr als nur Querschnittspolitik sein. Sie muss aus der Perspektive junger Menschen und in ihrem Interesse politische Ziele formulieren und umsetzen. Eine bloße „Unterstützung Jugendlicher bei ihrer Suche nach Orientierung“ (vgl. Grundsatzpapier) greift zu kurz. Die politischen Akteure zur Umsetzung der Eigenständigen Jugendpolitik müssen benannt und ihre Rolle definiert sein.
     
  2. Eigenständige Jugendpolitik braucht Gestaltungshoheit. Eine „eigenständige“ Jugendpolitik muss den Anspruch erheben, nicht als Anhängsel anderer Politikfelder zu fungieren oder fremdbestimmt zu sein. Eine nicht-eigenständige Jugendpolitik als Gegenbild wäre z.B. eine Arbeitsmarkt- oder Schulpolitikpolitik, die sich aufgrund ihres normativen Charakters indirekt auf die Lebenslagen Jugendlicher auswirken würde. Die Eigenständigkeit eines Politikfeldes ist gegeben, wenn die für dieses Politikfeld zuständigen Akteure eine Gestaltungs- und Steuerungshoheit besitzen und nicht von anderen Akteuren oder Politikfeldern abhängig sind.
    Im Falle einer kohärenten eigenständigen Jugendpolitik müssen Akteure und Gestalter bestimmt sein, die „eigenständig“ auf der exekutiven Ebene operieren. Da Jugendpolitik vornehmlich im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend angesiedelt ist, aber nicht das gesamte Feld von Jugendpolitik abdeckt, muss die Frage der Steuerung eindeutig beantwortet werden, um eine umfassende Gestaltungshoheit zu erzielen. Eine eigenständige Jugendpolitik zeichnet sich folglich durch eine ressortübergreifende Zielsetzungs- und Handlungsstrategie aus, die strukturell auf der exekutiven und legislativen Ebene organisiert werden muss.
     
  3. Die politische Jugendbildung benötigt eine engagierte Jugendpolitik, die nicht an die Interessen Dritter geknüpft ist, sondern ausschließlich auf die Verbesserung der Chancen junger Menschen ausgerichtet ist. Der eigenständige Charakter jugendpolitischer Initiativen wird aus Sicht der politischen Jugendbildung dann deutlich, wenn die Verbesserung der Beteiligungschancen Jugendlicher aus deren Perspektive heraus angestrebt wird und echte demokratische Partizipationsmöglichkeiten bietet. Der AdB unterstützt eine Jugendpolitik, die jungen Menschen insbesondere auf kommunaler Ebene ein tatsächliches Mitentscheidungsrechtsrecht in allen Belangen und Entscheidungen, die Jugendliche betreffen zusichert. Das betrifft vor allem Gremien, wie z.B. Jugendhilfeausschüssen und Jugendausschüssen in Gemeinden. Die Sitzungskultur dieser Ausschüsse muss sich darüber hinaus stärker an die Kultur junger Menschen anpassen.
    Der AdB fordert dazu auf, mit der Eigenständigen Jugendpolitik der Verpflichtung aus Artikel 12 der UN Kinderrechtskonvention nachzukommen und Kinder in allen sie betreffenden Angelegenheiten umfassend einzubinden. Der AdB unterstützt darüber hinaus einen öffentlichen Diskurs über die Absenkung des Wahlalters bei Kommunal-, Landtags-, Bundestags- und Europawahlen auf 16 Jahre, weil er in der Ausübung des aktiven Wahlrechts die stärkste und verfassungsgemäß am besten abgesicherte Form der Partizipation in der Demokratie sieht.
     
  4. Eigenständige Jugendpolitik betrifft alle Ebenen der Politik
    Der Ansatz, eine Jugendpolitik zu entwickeln, die nicht defizitorientiert ist, sondern die Interessen alle jungen Menschen vertritt, wird ausdrücklich unterstützt. Darüber hinaus muss eine eigenständige Jugendpolitik auch die Wahrnehmung und Durchsetzung von Interessen zum Ziel haben, um glaubwürdig zu sein. Das „aktive Einbringen der Interessen Jugendlicher in den Dialog der Generationen“ reicht nicht aus.
    Die drei aktuell ausgewählten Themenbereiche, die als wichtige jugendpolitische Anwendungsfelder zur Etablierung einer Eigenständigen Jugendpolitik bearbeitet werden sollen, sind:
    - Schule und außerschulische Lern- und Bildungsorte,
    - Beteiligungschancen und -anlässe im politischen und öffentlichen Raum,
    - Übergangsgestaltung von der Schule in die Arbeitswelt.

    Sie korrespondieren mit der Themensetzung der im Jahr 2011 beschlossenen EU-Jugendstrategie und greifen zentrale Bereiche des Aufwachsens junger Menschen auf, die bisher nicht alle als originäre Felder der Jugendpolitik betrachtet wurden. Aus dem Blickwinkel der politischen Bildung sollten zukünftig weitere Themenschwerpunkte bearbeitet werden, um der Vielfalt des jugendpolitischen Handlungsrahmens gerecht zu werden. Die Eigenständige Jugendpolitik darf aber nicht als nationale Umsetzungsstrategie der EU-Jugendstrategie instrumentalisiert werden, da diese eine „Verwertbarkeit“ von Jugendarbeit für die Arbeitswelt darstellt und folglich auch nicht eigenständig sein kann.
    Die Einbeziehung von Schulpolitik durch die Betrachtung des Lernortes Schule macht Kooperationen mit allen Bundesländern als Hoheitsträger der Kultuspolitik erforderlich. Die Verbesserung der Beteiligungschancen, die primär im direkten Lebensumfeld Jugendlicher auszumachen sind, bedarf der Einbeziehung der Kommunen bzw. der kommunalen Spitzenverbände. Wenn es um bessere Bedingungen für die Gestaltung des Übergangs junger Menschen in die Arbeitswelt geht, müssen arbeitsmarktpolitische Bedingungen verändert werden, die nur mit den arbeitsmarktpolitischen Akteuren erreicht werden können.

  5. Projektinnovationen müssen in die Eigenständige Jugendpolitik einfließen. Die Vielzahl der im Rahmen des Innovationsfonds geförderten Projekte mit maximal zweijähriger Laufzeit entwickeln u.a. Konzepte der politischen Jugendbildung jenseits der Vorgaben des Kinder- und Jugendplans weiter und sorgen so für innovative Ideen in diesem Arbeitsfeld, deren Ergebnisse und Erkenntnisse in den jugendpolitischen Prozess eingespeist werden müssen. Die Gewinnung neuer Kooperationspartner außerhalb der Jugendarbeit als zentrale Bedingung des Innovationsfonds kann einen wichtigen Beitrag zur Verzahnung der Jugendarbeit mit anderen gesellschaftlich relevanten Themenfeldern schaffen, die für die Ausrichtung einer eigenständigen Jugendpolitik von Bedeutung sein können.
    Die Regelförderprogramme zur außerschulischen Bildung müssen diesen Innovationscharakter für die Träger ebenfalls stärker ermöglichen und entsprechend flexibilisiert und weiterentwickelt werden.
     
  6. Eine eigenständige Jugendpolitik bezieht die Bildungspolitik mit ein und schafft Bedingungen für eine sinnvolle Zusammenarbeit von formaler und non-formaler Bildung, mit dem Ziel, kohärente Bildungskonzepte für politisches Lernen, Partizipation und zivilgesellschaftliches Engagement zu entwickeln. Sie entwickelt eine politische Strategie, die eine langfristige finanzielle Förderung außerschulischer Bildungseinrichtungen absichert, um gleiche Bedingungen für schulische und außerschulische Bildungseinrichtungen zu schaffen. Die kontinuierliche Zusammenarbeit beider Institutionen kann nur auf der Basis kontinuierlicher Förderperspektiven erreicht werden.

 

Der AdB sieht in der außerschulischen Jugendbildung mit ihrem zentralen Ziel der Befähigung junger Menschen zur politischen Teilhabe in der Gesellschaft, ohne Zweckbindung an berufliche Verwertbarkeit und Lernleistung, eine unterstützende Funktion bei der Formierung einer eigenständigen Jugendpolitik, wenn diese ausschließlich den Interessen jugendlicher Lebenslagen und Zukunftsperspektiven verpflichtet ist.

 

beschlossen vom Vorstand des AdB

Berlin, Mai 2013