“Demokratie
braucht
politische Bildung”

Wer bildet Meinung? Gesellschaftspolitischer Diskurs zwischen Medienfreiheit und „alternativen Fakten“

5.12. 2017

Die freie Meinungsbildung und die freie Meinungsäußerung sind grundlegende Merkmale der Demokratie. Nur dort, wo es Menschen möglich ist, sich ungehindert ein eigenes Urteil zu bilden und die eigene Meinung frei zu äußern, kann von einem demokratischen Miteinander gesprochen werden. Dafür braucht es ein gemeinsames Verständnis demokratischer, an Grund- und Menschenrechten orientierter Aushandlungsprozesse und es braucht die Pluralität der Medien, die allen Menschen gleichermaßen Zugang zu Wissen und Informationen ermöglichen.

 

Veränderung der Medienlandschaft

Über einen langen Zeitraum hinweg hatten die traditionellen Medien wie Fernsehen, Radio, Zeitungen oder Magazine, eingebunden in einen gesellschaftlichen Diskurs, die Deutungsmacht über gesellschaftliche und politische Entwicklungen und Ereignisse. Diese Deutungsmacht gibt es nicht mehr, die Medienlandschaft hat sich durch die Ausweitung digitaler Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten, die zunehmend als primäre Informationsquellen genutzt werden, radikal verändert.

 

Internetseiten, Videokanäle, Blogs, soziale Netzwerke oder Foren ermöglichen Menschen einen einfachen, schnellen, hoch aktuellen wie durch seine Multimedialität auch hoch attraktiven Zugriff auf schier unbegrenzte Informationen und auf unbegrenztes Wissen. Zudem ist es jedem und jeder einzelnen, unabhängig von seiner oder ihrer Qualifikation, unabhängig von journalistischen Ansprüchen oder Standards, möglich, selbst Nachrichten zu kreieren und Meinungen zu verbreiten. Jeder Mensch kann somit sein eigenes Medium mit eigenen Inhalten für seine eigene Zielgruppe schaffen.

 

Dem Gewinn an neuen, diversen Zugängen zu Information und Wissen steht die Gefahr der Fragmentierung des gesellschaftlichen Diskurses sowie der Beeinflussung von Meinungsbildung durch Algorithmen, Bots, Echokammern und „alternativen Fakten“ gegenüber. Jede Wahrheit und auch jede Lüge findet im Netz ein Echo, generiert und verbreitet ein eigenes Narrativ. Algorithmen, die politischen und kommerziellen Interessen dienen, steuern und beeinflussen unbemerkt das Nutzerverhalten von Menschen im Internet. Social Bots simulieren menschliche Nutzer/-innen, suggerieren die Vorherrschaft einer bestimmten Meinung und können auf diesem Weg Diskussionen und Stimmungslagen manipulieren.

 

Folgen für die Demokratie

Diese Entwicklungen bleiben nicht ohne Folgen für die Demokratie und das demokratische Zusammenleben. Zahlreiche Beispiele der jüngsten Vergangenheit zeigen, dass das gesellschaftliche Klima durch Fake News, die kaum mehr von Fakten zu unterscheiden sind, vergiftet wird und eine sachliche Auseinandersetzung über gesellschaftlich relevante Themen erschwert, wenn nicht sogar verhindert wird. Klassischen Medien droht der Glaubwürdigkeitsverlust auf der einen Seite, die Gefahr des Verlusts der Unabhängigkeit durch den enorm gestiegenen ökonomischen Druck auf der anderen Seite. Und bei dem Versuch von Politik, die negativen Entwicklungen im Bereich die digitalen Kommunikationsmöglichkeiten einzudämmen, werden Bürgerrechte eingeschränkt.

 

Die hier beschriebenen Entwicklungen fordern eine genaue Beobachtung und Analyse sowie ein aktives Handeln sowohl von politisch Verantwortlichen als auch von den Trägern und Einrichtungen der politischen Bildung.

 

Herausforderungen und Handlungsnotwendigkeiten

Die politische Bildung hat vor diesem Hintergrund die Aufgabe

  • Menschen Kompetenzen zu vermitteln, Informationen und Meinungen einordnen, decodieren, bewerten und nutzen zu können;
  • deutlich zu machen, dass jegliche gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit nicht unter die freie Meinungsäußerung fällt;
  • kritischer Medienbildung, um Menschen zu befähigen, Fakten zu erkennen und von Lügen zu unterscheiden; dazu gehören die Fähigkeiten, Informationen kritisch zu hinterfragen, Quellen zu prüfen und sich aus mehr als einer Quelle zu informieren;
  • Angebote zu entwickeln, die Menschen zur Teilhabe und zur aktiven Nutzung der Medien motivieren, um die Diskurse mitzubestimmen und die reflektierte Meinungsbildung zu unterstützen;
  • die Wechselwirkungen zwischen Nutzerverhalten und Medienangebot deutlich zu machen;
  • Wertschätzung für fundierte journalistische Recherche zu vermitteln, denn Qualitätsjournalismus ist nicht kostenfrei zu haben.

 

Von politisch Verantwortlichen erwarten wir,

  • die Grundrechte wie die freie Meinungsäußerung, die Informationsfreiheit und die Medienfreiheit als hohe Güter der Demokratie zu bewahren und zu schützen;
  • eine offene, faire, respektvolle Streitkultur zu fördern;
  • Bürgerinnen und Bürger in die Gremien der öffentlich-rechtlichen Medien einzubinden und die Partizipation der Menschen ernst zu nehmen;
  • die politisch notwendige Debatte um freie Meinungsäußerung auf der einen und den Schutz vor Lügen, Hass und Gewalt im Netz auf der anderen Seite offen und unter Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger zu führen.

 

Der Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten und seine Mitgliedseinrichtungen setzen sich mit ihrem Engagement für die in Artikel 5 des Grundgesetzes genannten Grundrechte – u. a. das Recht auf freie Meinungsbildung und -äußerung – ein. Als Einrichtungen und Organisationen der politischen Jugend- und Erwachsenenbildung schaffen sie Räume für den demokratischen Diskurs, in denen Menschen ihre eigene Haltung reflektieren und sich mit anderen Positionen konstruktiv auseinandersetzen können. Die politische Jugend- und Erwachsenenbildung ist ein Garant dafür, dass es auch in digitalen Zeiten einen offenen gesellschaftspolitischen Diskurs geben kann – offline wie online.

 

Verabschiedet auf der Mitgliederversammlung des AdB am 29.11.2017 in Otzenhausen