“Demokratie
braucht
politische Bildung”

Repräsentative Demokratie in der Krise?

Mitglieder der AdB-Fachkommission Erwachsenenbildung nach dem Gespräch mit Cansel Kiziltepe, MdB, im Deutschen Bundestag
Foto: AdB
25.09. 2018

Die AdB-Fachkommission Erwachsenenbildung tagt in Berlin

AdB-Fachkommission Erwachsenenbildung hat sich, den Tagungsort Berlin nutzend, für die diesjährige Herbstsitzung den Schwerpunkt „Repräsentative Demokratie in der Krise?“ gewählt. Sie traf sich vom 19. bis 21. September 2018 im Sozialpädagogischen Fortbildungsinstitut Berlin-Brandenburg (sfbb) im Jagdschloss Glienicke und besuchte u. a. den Deutschen Bundestag.

 

Die Beschäftigung mit dem Schwerpunktthema begann am ersten Tag mit einem ausführlichen Austausch über die empfundenen und beobachteten Krisensymptome der repräsentativen Demokratie. Es wurden Anhaltspunkte auf sehr unterschiedlichen Ebenen zusammengetragen: Auf der eher individuellen, emotionalen Ebene wurden Symptome wie eine Zunahme von latenten Bedrohungsgefühlen, eine stärker werdende Aggressivität in der (politischen und alltäglichen) Kommunikation, ein zunehmender Alltagsrassismus und der Widerspruch zwischen objektivierbaren Fakten und eigenen Realitäten benannt. Auf struktureller Ebene wurde die sinkende Wahlbeteiligung, der Mitgliederschwund in den sogenannten Volksparteien, eine sich auflösende Milieubindung, eine zunehmende Segregation, die Relativierung journalistischer Standards etc. benannt. Die Liste ließe sich weiter fortsetzen.

 

Vor dem Hintergrund der Symptombeschreibungen wurden Fragen formuliert:. Wie werden Politiker/-innen wieder zu Volksvertreter/-innen? Nimmt der Einfluss auf politische Entscheidungen durch Lobbyisten zu? Hat sich die Kommunikation im Parlament in den Ausschüssen seit dem AfD-Einzug verändert? Wie können Politik und politische Bildung enger zusammenarbeiten? Wie können Inhalte und Entscheidungen der repräsentativen Demokratie der Öffentlichkeit besser vermittelt werden? Brauchen wir mehr Instrumente der direkten Demokratie?

 

Mit diesen Fragen im Gepäck machten sich die Teilnehmenden der Kommission Erwachsenenbildung zu einem lobbykritischen Stadtspaziergang im Regierungsviertel auf. Eine Vertreterin von Lobby Control e. V. informierte die Gruppe über Machtstrukturen und Einflussstrategien verschiedener Lobbyisten und machte durch die Weitergabe von Hintergrundwissen deutlich, wie Lobbyismus funktioniert.

 

Die Fragen wurden nach diesem Spaziergang eher noch mehr – eine gute Voraussetzung für den nächsten Programmpunkt: den Besuch im Deutschen Bundestag und das Gespräch mit Cansel Kiziltepe, MdB. Sie ist Bundestagsabgeordnete im Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg Prenzlauer Berg Ost und engagiert sich vor allem für Themen im Bereich von Finanz- und Wirtschaftspolitik. Ein wichtiges Anliegen sei ihr, sich für den Abbau von Ungleichheit und für mehr Gerechtigkeit einzusetzen, so die Abgeordnete. Im Gespräch wurden aktuelle politische Themen und Entscheidungen aufgegriffen und die von ihr beobachteten Veränderungen in der politischen (Kommunikations)Kultur diskutiert. Die neue Situation im Bundestag führe, so die Abgeordnete, zwar zu viel Frust, aber auch zu mehr Solidarität über die Parteigrenzen hinweg. Sie fühle sich motiviert, für ihre Anliegen zu streiten. Ein großes Problem sei die Verrohung der Sprache und die Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt durch Fake News und deren Verbreitung über Social Media. Es werde Stimmung gemacht und Grenzen des Sagbaren immer wieder überschritten. Dem müsse man entschieden entgegenwirken. Wichtig sei es, mehr Gesprächsformate außerhalb der Parteienpolitik anzubieten und mit den Bürgerinnen und Bürgern in den direkten Dialog zu treten. Cansel Kiziltepe ist sehr an den Zugängen und Konzepten politischer Bildung interessiert und betont, wie wichtig eine enge Zusammenarbeit von Politik und Zivilgesellschaft im Streiten für unsere demokratische Gesellschaft ist.

 

Ein weiterer Programmpunkt war ein „User-Story“-Workshop für den Aufbau einer Online-Plattform zur Qualifizierung, Fort- und Weiterbildung von politischen Bildner/-innen. Dazu hatten die Kolleginnen Lea Jaenicke und Sina Aylin Şimşek in das Haus der Jugendarbeit und Jugendhilfe – dem Sitz der AdB-Geschäftsstelle – eingeladen, um zusammen mit den Kollegen der graphthinking GmbH die Expertise der Kommission Erwachsenenbildung zu nutzen. Es ging um Grundfunktionalitäten, Akzeptanzkriterien und Anforderungen einer solchen Plattform und um deren Mitgestaltung.

 

Über die bei einem solchen Arbeitstreffen üblichen Tagesordnungspunkte hinaus stand noch einmal ein Austausch über das von der Kommission erstellte Positionspapier „Politische Erwachsenenbildung braucht Freistellung. Für eine Stärkung des Bildungsurlaubs in Deutschland“ auf dem Programm. Es wurde eine Reihe von Maßnahmen umgesetzt, die helfen sollen, das Papier zu verbreiten und darüber mit verschiedenen Personen ins Gespräch zu kommen. Weitere Aktivitäten, wie z. B. eine Fachtagung zum Thema, sind in Planung.

 

Es war eine sehr intensive, dichte Tagung mit einem spannenden, anregenden Programm. Viele Themen werden in der weiteren Arbeit der Kommission wieder aufgegriffen.