“Demokratie
braucht
politische Bildung”

Politische Bildung in Zeiten populistischer Hochkonjunktur

Foto: AdB
24.09. 2018

Offener Fachtag der AdB-Fachkommission Europäische und Internationale Bildungsarbeit in Tutzing

Vom 5. bis 7. September 2018 tagte die AdB-Fachkommission Europäische und Internationale Bildungsarbeit in der Akademie für politische Bildung in Tutzing. Im Rahmen dieser Sitzung wurde in Kooperation mit der Akademie am 6. September 2018 ein offener Fachtag zum Thema "Politische Bildung in Zeiten populistischer Hochkonjunktur" veranstaltet. Diese Veranstaltung wurde bundesweit ausgeschrieben. Mit 14 externen Gästen kann dieser Test einer Öffnung der inhaltlichen Arbeit der Kommission als gelungen bezeichnet werden.

 

Professor Dr. Rico Behrens von der Katholischen Universität Eichstätt fokussierte sich in seinem Input auf drei Felder:

  1. Rechtspopulismus als „Dünne Ideologie“ oder als Kommunikationsstrategie der extremen Rechten
  2. Koordinaten politischer Bildung (Ausgangspunkte und Herausforderungen)
  3. Anregung für die Reflexion von Professionalität und Haltung

 

Er stellte Bearbeitungsstrategien im Diskurs mit Anhängern rechter Bewegungen anhand von Videosequenzen (öffentlich vs. in geschützten Räumen, aufsuchend – aufklärend – agonal) vor. Die Filmsequenzen waren zum Teil nur schwer zu ertragen und stellten die Gruppe u. a. vor die Frage, wo und wie sie in ihrer Arbeit tatsächlich im Nahkontakt mit manifester Ablehnung von Demokratie und gesellschaftlicher Vielfalt konfrontiert sind. Zugleich kam die Frage auf, ob wir als politische Bildner/-innen in solchen Situationen unserem Anspruch nach überhaupt kompetent agieren können.

 

In der Erörterung von Reaktionsstrategien unterstrich Rico Behrens die Wichtigkeit einer politischen Bildung von Anfang an, die Demokratie-Lernen als Kultur der Anerkennung versteht und Menschen in Verantwortung als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren unterstützt und gewinnt. Hierbei gibt es vielfache Schnittmengen zur im AdB in den letzten Jahren lauter und deutlich werdenden Forderung, sich bspw. mit politischer Bildung ab Kindesalter intensiv zu beschäftigen und entsprechende Maßnahmen und Programme aufzusetzen. Auch die Frage nach einer strategischen Diskussion der Zielgruppen von Erwachsenenbildung (bspw. über Weiterbildungsformate) spielt hier eine gewichtige Rolle.

 

Mit Professor Dr. Sven Kommer, Geschäftsführer des Instituts für Erziehungswissenschaften an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen, wagten sich die Teilnehmenden anschließend in eine Auseinandersetzung um die Realität hinter der virtuellen Realität, Stichpunkt: Daten – Was ist das eigentlich und wozu sind sie nützlich? Wer produziert und nutzt Daten und warum kommt es im Bereich der vernetzten Welt zu Agglomeration von Falschmeldungen und Datenmissbrauch? Was können Bearbeitungsstrategien für den Umgang mit einer komplex vernetzten Datenwelt sein, und wo kann politische Bildung ansetzen? Der Vortrag und die Diskussion waren trotz zahlreicher Abgründe, die oftmals direkt am Fallbeispiel von Daten aus der politischen Bildung ansetzten, ermutigend, unterstrichen aber auch die Notwendigkeit, sich in der politischen Bildung viel grundlegender mit Fragen der Digitalisierung und des gesellschaftlichen Wandels auseinanderzusetzen, als an Symptomen, wie z. B. Fake News, Hoax etc., herumzudoktern.

 

Georg Pirker, AdB, stellte am Beispiel des aus dem STEPS-Projekt entstandenen policy-Katalogs verschiedene Bearbeitungsfelder vor, denen man sich in der Education for Democratic Citizenship (EDC/HRE) konkreter zuwenden sollte. Darüber hinaus verwies er auf verschiedene Tools und Umgangsmöglichkeiten für Störungen und Debatten, die sich in internationalen Workshop-Kontexten zur Bearbeitung anbieten.

 

In den abschließenden Kleingruppen-Workshops hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, die Diskussionen aus dem Fachtag mit ihren konkreten Erfahrungen abzugleichen.

 

Der Fachtag wurde von allen Teilnehmenden als sehr hilfreich empfunden, v. a. von den externen Teilnehmenden wurde die Möglichkeit, sich an einer verbandlichen Fachdiskussion direkt und live zu beteiligen, als positiv und ermunternd eingeschätzt.

 

Im geschlossenen Teil der Kommissionssitzung waren zwei weitere Gäste eingeladen, die anknüpfend an den Fachtag die Gelegenheit bekamen, zu konkreten Fragen internationaler Bildungsarbeit in der Auseinandersetzung mit den Anliegen der Demokratie anzuknüpfen. Dr. Eva Sodeik-Zecha, Institut für Auslandsbeziehungen (ifa), stellte den aktuellen Diskussionsstand zwischen dem AdB und dem ifa für eine Vertiefung des Cross-Culture Internship Programs im Bereich politische Bildung vor, dabei eröffnete sich den Kommissionsmitgliedern im Rückblick auf den Fachtag die Idee, über den gezielten Einsatz internationaler Praktikantinnen und Praktikanten auch zu einer gelebten Internationalität der Träger politischer Bildung strategisch beizutragen.

 

Rita Bergstein vom Salto Ressource Centre Training and Cooperation, stellte ausführlich den Prozess des ETS Competence Model for Youth Workers and Trainers vor, der einen idealen Rahmen für die Fragen zur Qualifizierung pädagogischer Fachkräfte im internationalen Begegnungskontext liefert, wie auch für das Design von Lernprozessen politischer Bildung in internationaler (und nationaler) Bildungsarbeit. Mit dem Input und der anschließenden Diskussion konnten die Teilnehmenden nahtlos an die Fragen zur Kompetenz von Bildnerinnen und Bildnern im Umgang mit demokratie-skeptischen bis demokratie-feindlichen Einstellungen anknüpfen. Zugleich eröffnete sich die Möglichkeit, sich über das ETS-Modell auf die Grundfragestellung der EIA-Kommission „Was ist gute Internationale Bildungsarbeit?“ zurückzubesinnen.

 

Ermöglicht wurde das dichte, starke Programm durch die intensive Arbeit und Vorbereitung von Dr. Andreas Kalina, Akademie für politische Bildung in Tutzing, Melanie Haase, Mariaspring – Ländliche Heimvolkshochschule e. V. und Amelie Scheder, Akademie Frankenwarte – Gesellschaft für Politische Bildung e. V. Auch der Einsatz des Kooperationspartners, der Akademie für politische Bildung trug zum Gelingen der Veranstaltung bei.