“Demokratie
braucht
politische Bildung”

Politische Bildung digital gestalten

Politische Bildung digital gestalten - Online-Fortbildungsreihe
Foto: AdB
19.10. 2020

Online-Fortbildungsreihe gab Anregungen zu Materialien, Inklusion und digitaler Moderation für die Bildungsarbeit

Das AdB-Fachreferat "Religiös begründeter Extremismus" hat den Auftrag, politischen Bildner*innen, Respekt Coaches und anderen Praktiker*innen der politischen Bildung und pädagogischen Praxis konkrete Hilfestellungen und Expertise zugänglich zu machen. Dies geschieht nicht nur über die Plattform politischbilden.de sondern auch über offene Fortbildungsangebote. Drei dieser Fortbildungen fanden im September und Oktober online statt.

 

Die 2020 durch Corona vielfach erzwungene Umstellung von Präsenz-Veranstaltungen auf Online-Formate auch in der politischen Bildung hat viele Referent*innen und Aktive vor Herausforderungen gestellt. Neben technischen, organisatorischen und datenschutzrelevanten Aspekten sind die großen Fragen dabei: Wie lassen sich Lern- und Bildungsformate ins Netz übertragen? Wie ist die Vertrauens- und Beziehungsarbeit, die eine so wichtige Rolle spielt, in die Fernlehre übertragbar?

 

Das Fachreferat griff diese Fragen mit einer kleinen Reihe digitaler Fortbildungen auf. In den einzelnen Seminaren, ging es um konkrete Konzepte für politische Bildung („Flucht im Lebenslauf“), um einen Blick auf die inklusive Gestaltung unserer Arbeit („Disability Mainstreaming“) und schließlich um ganz grundsätzliche Tipps und Methoden für das eigene Agieren vor der Kamera beim Durchführen und Moderieren von Online-Veranstaltungen („Vom Film lernen“).

 

Die Angebote richteten sich an politische Bildner*innen, Respekt Coaches und weitere Fachkräfte aus Jugend(sozial)arbeit und Bildung und erreichten eine entsprechend vielfältige Gruppe von Akteur*innen. Neben Kolleg*innen aus AdB-Mitgliedsorganisationen und Respekt Coaches, waren es vor allem freiberufliche politische Bildner*innen sowie Fachkräfte aus der Jugendverbandsarbeit, die sich jeweils an zwei aufeinanderfolgenden Tagen für zweieinhalb Stunden im digitalen Raum trafen.

 

Die Fortbildungsreihe wurde genutzt, um zugleich die Bildungsplattform politischbilden.de vorzustellen. Zum Teil waren die Referent*innen bereits Autor*innen auf politischbilden.de und hatten Materialien eingereicht, die auch in der Fortbildung zum Einsatz kamen, zum Teil waren die Fortbildungen Anlass, entsprechende Materialien im Nachgang einzustellen.

 

Neben den eigentlichen Inhalten der Veranstaltungen gab es wiederholt Momente, in denen das eigene Verhalten gemeinsam reflektiert und gegenseitige diversitätssensible Aufklärung und Weiterbildungsarbeit geleistet wurde. Dies unterstreicht, dass gerade Seminare im Kontext der politischen Bildung auch im digitalen Raum Flexibilität und Raum für spontane Bedarfe nach Austausch und Klärung brauchen und nicht zu eng geplant sein sollten. Das Feedback der Teilnehmenden war durchweg positiv und letztlich gaben sowohl die Inputs der Referent*innen, als auch die Erfahrungen mit dem Format der Online-Fortbildung allen Beteiligten vielfältige Anregungen für die eigene Arbeit.

 

Im Folgenden werden die Inhalte der einzelnen Fortbildungen zusammengefasst und weiterführende Materialien verlinkt.

 

„Flucht im Lebenslauf – Biografisches Lernen mit Jugendlichen“

 

Ilanga Mwaungulu (Referentin beim Anne Frank Zentrum) stellte den Teilnehmenden das online wie offline verwendbare Lernmaterial „Flucht im Lebenslauf“ vor. Dabei wurden einige Methoden direkt gemeinsam erprobt und anschließend die Umsetzung in den verschiedenen Kontexten und unter den aktuellen Bedingungen der Fernlehre diskutiert. Die Einschätzungen der Teilnehmenden, inwieweit sie das Material in ihren eigenen Arbeitskontexten einsetzen und anwenden können, war wiederum für die Referentin und die Weiterentwicklung des Materials interessant.

 

Das Lernmaterial wurde vom Anne Frank Zentrum entwickelt, um die Themen Flucht und Migration mit jungen Menschen rassismus- und antisemitismuskritisch behandeln zu können. Drei konkrete Biografien werden dafür mit Hilfe von Texten, Videos und Arbeitsaufträgen in den Blick genommen. Wer mehr darüber erfahren möchte, dem*der sei der Hintergrundbeitrag auf politischbilden.de empfohlen, denn Ilanga Mwaungulu ist bereits Autorin auf politischbilden.de und bespricht in dem Artikel wie die politische Bildung mit biografischen Lernen einen Beitrag gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit leisten kann. Auch dazugehörige Methoden wie beispielsweise „Der Fluchtrucksack“ sind auf politischbilden.de eingestellt und wurden in der Fortbildung vorgestellt und besprochen.

 

Disability Mainstreaming – Inklusive und barrierefreie Online-Seminare

 

Um dafür zu sensibilisieren, wie inklusive Online-Veranstaltungen angeboten und Barrieren, die Menschen von vornherein von der Teilnahme ausschließen, nicht unwissentlich aufgebaut werden, gewann das Fachreferat für die zweite Fortbildung Judyta Smykowski von den SOZIALHELDEN e.V. als Referentin. Die Fortbildung leistete damit einen Beitrag zum „Disability Mainstreaming“ – dem Mitdenken von Menschen mit Behinderungen in allen Bereichen des alltäglichen Lebens.

 

Ausgehend von dem Gedanken, dass Menschen mit Behinderung eher durch Barrieren behindert werden als durch ihren Rollstuhl oder die fehlende Sehkraft, wies die engagierte Journalistin auf typische Barrieren hin und vermittelte Ansätze, wie digitale Seminare barrierearm geplant, durchgeführt und (bild-)sprachlich inklusiv beworben werden können. Dabei ist neben einzelnen Begriffen und Tools ein bewusster und reflektierter Umgang essentiell. Daher gab Judyta Smykowski einen kompakten Überblick zu grundsätzlichen Diskursen, Einschätzungen und Denkmodellen. Anhand von Beispielen aus der Presse- und Medienlandschaft konnten gemeinsam Kriterien und Ansätze für eine klischeefrei (Bild-)Sprache und Kommunikation auf Augenhöhe herausgearbeitet werden. Hierbei stellte die Referentin auch Inhalte aus dem Beratungsangebot von Leitmedien.de und die Fotodatenbank Gesellschaftsbilder sowie weitere Projekte des Sozialhelden e. V. vor. Wer hierzu mehr erfahren möchte, der*die sei auf politischbilden.de verwiesen. In der dort verfügbaren Broschüre sind u. a. Formulierungsempfehlungen enthalten, welche Ausdrücke besser vermieden und wie etwas stattdessen ausgedrückt werden kann.

 

Ferner nutzte die Referentin die Gelegenheit, um darauf hinzuweisen, warum es wichtig und sinnvoll ist, von Behinderung zu sprechen, anstatt auf gutgemeinte Begriffe wie „Handicap“ o. Ä. auszuweichen (mehr dazu hier). Wer sich in konkreten Fällen unsicher sei, wie ein Mensch bezeichnet werden möchte, solle die Betroffenen selbst fragen, wie sie benannt werden möchten, riet die Referentin.

 

Zu guter Letzt wurde über tatsächliche oder vermeintliche Hindernisse gesprochen, die bei der Durchführung von inklusiven, barrierefreien Online-Veranstaltungen auftreten können, und praktische Tipps, Werkzeuge und Hilfestellungen benannt um diese zu überwinden.

 

Vom Film lernen – Kameraperformance und soziale Interaktion online

 

Die dritte Fortbildung widmete sich dem eigenen Agieren vor der Kamera und dem Leiten einer Gruppe während eines Online-Seminars. Dabei war immer wieder die Interaktion in der Fortbildung selbst ein konkretes Beispiel für mögliche Ansätze und Methoden.

 

Die Referentin Cornelia Fleck, freiberuflich in der politischen Bildung tätig, nutze ausgewählte Standbilder aus Filmen, Serien und YouTube-Kanälen, um anhand dieser Beispiele aufzuzeigen, welche unterschiedlichen Wirkungen der Einsatz von Kameraperspektive, Blickwinkel und Ausschnitt erzeugen kann und gab damit Anregungen und Ideen zur Gestaltung des eigenen Bildraumes und für das eigene Agieren vor Kamera. Sie machte den Teilnehmenden deutlich, dass es analog dazu, wie man einen Seminarraum für die Arbeit mit einer Gruppe entsprechend vorbereitet und dies zum Gelingen eines Seminars beiträgt, es sich auch lohnt, Gedanken und Aufmerksamkeit auf die Vorbereitung des digitalen „Raumes“ im Vorfeld einer Online-Veranstaltung zu verwenden.

 

Im zweiten Teil der Fortbildung wurden gemeinsam verschiedene Methoden und Spiele erprobt. Die Teilnehmenden erlebten dadurch, wie vertraute Methoden im digitalen Raum bzw. dezentral vor den Bildschirmen umgesetzt werden können, welche Wirkung das auf die Gruppe hat und wie sich so etwas von der für die politische Bildungsarbeit so wichtigen Beziehungsarbeit und vertrauensvollen Atmosphäre in den digitalen Raum übertragen lässt.