“Demokratie
braucht
politische Bildung”

Phänomenübergreifende Radikalisierungsprävention

Foto: Lea Jaenicke
20.12. 2018

Fortbildung rund um einen phänomenoffenen und -übergreifenden Ansatz in der Präventionsarbeit

Am 12. Dezember fand die letzte Fortbildung des AdB-Fachreferates "Religiös begründeter Extremismus" 2018 statt. Diesmal war ein phänomenübergreifender Ansatz in der Radikalisierungsprävention Thema. Als Referentinnen konnten Marie Jäger und Anna Groß von cultures interactive e. V. gewonnen werden.

 

Die Referentinnen nahmen sich zu Beginn Zeit für die Einleitung und die Vorstellungsrunde. Bereits in dieser Runde wurde das Thema methodisch eröffnet: Die Teilnehmenden wurden aufgefordert, sich in Zweierteams miteinander bekannt zu machen und die jeweils andere Person der Gruppe anschließend anhand von vier Aussagen vorzustellen, von denen drei wahr und eine falsch war. Die Gruppe musste erraten, welche Aussage die Nichtzutreffende war. Die Methode machte den Teilnehmenden deutlich, dass alle Klischees und Wertesysteme in ihren Köpfen haben, anhand derer sie andere einschätzen und beurteilen.

 

Nachfolgend wurde mithilfe einer weiteren Methode die eigene Positionierung gegenüber gesellschaftlichen Fragestellungen sowie dem eigenen Mediennutzungsverhalten abgefragt. Der Wert der hier eingangs investierten Zeit zeigte sich im Verlauf der Fortbildung durch eine sehr gute und auffallend gelöste Stimmung innerhalb der Gruppe.

 

Nach diesem "Warmup" ging es an die eigentliche Themenstellung: Was ist ein phänomenübergreifender Ansatz und wann und warum macht dieser Sinn? Die Referentinnen verdeutlichten dies anhand ihres eigenen Projekts PHÄNO_Cultures.

 

Neben anderen Settings arbeiten sie bundesweit vor allem in Schulprojekttagen mit Schüler*innengruppen. Die politischen Haltungen, Interessen oder Hintergründe der jungen Teilnehmenden sind ihnen vorher nicht bekannt. Auch gibt es nicht die eine Gruppe. Die Gruppen sind meist heterogen zusammengesetzt. In einem Klassenverband können sowohl rechtsextreme wie auch islamistische Haltungen auftreten. Der phänomenübergreifende Ansatz hilft ihnen dabei, Stigmatisierungen im vornherein aus dem Weg zu gehen und Diffamierungen von Zielgruppen und Sozialräumen im Vorfeld zu vermeiden. Darüber hinaus lohnt es sich, einen Blick auf die Gemeinsamkeiten zu werfen, die beide Ideologiekonzepte aufweisen. Ähnlichkeiten bestehen beispielsweise in der Überidentifikation mit dem eigenen Kollektiv; in der Haltung, der Einzelne habe sich dem Kollektiv unterzuordnen und in der daraus folgenden Ablehnung und Zurückweisung individueller Freiheits- und demokratischer Mitbestimmungsrechte. Sie zeigen sich in der Ablehnung des Gleichwertigkeitsprinzips, in der Anmaßung, andere definieren und auf ein bestimmtes Sosein festlegen zu können und sie darin abzuwerten. Ähnlichkeiten finden sich auch in der rigiden Geschlechter- und Sexualitätsauffassung, der Befürwortung von Gewalt sowie in verschwörungsideologischen und antisemitischen Weltdeutungen. Selbst in der Art und Weise, wie soziale Medien benutzt und für die Anwerbung eingesetzt werden, finden sich Ähnlichkeiten. Beide Extremismen liefern für das jeweils andere Ideologiekonzept Begründung und Rechtfertigung, sie bedingen sich und nutzen sich dadurch letztlich gegenseitig.

 

Nach dem Input der Referentinnen waren die Teilnehmenden selbst gefragt. In Kleingruppen wurden mitgebrachte Videoclips analysiert. Aufgabe war es, Plot und Botschaft der Filme kurz vorzustellen und zu beschreiben, was das Ansehen der Clips bei den Teilnehmenden ausgelöst hat und welche Bedeutung sie dem für ihren Arbeitskontext geben.

 

Nach der Mittagspause hieß es: "Methoden, Methoden, Methoden". Die Referentinnen stellten Formate vor, die sie für eine phänomenoffene Präventionsarbeit einsetzen.

 

In der Abschlussrunde holten sich die Referentinnen ausgiebig Feedback zu ihrer Fortbildung ein und die Gruppe tauschte sich über Einsatzfähigkeit und Anwendbarkeit der Methoden aus. Rückfragen wurden durchgesprochen und die Übertragbarkeit des Ansatzes für die eigene Arbeit wurde diskutiert.