“Demokratie
braucht
politische Bildung”

Neue Kriege – neue Wege zum Frieden?

Interessierte Zuhörende beim Vortrag von Dr. Frank Sauer
Foto: AdB
7.06. 2017

Fachtagung stellt aktuelle Herausforderungen für die politische Bildung in den Fokus

Syrien, Afghanistan, Libyen, Jemen, Ost-Ukraine, Nigeria, Somalia, Süd-Sudan … dies sind nur einige Schauplätze aktueller Kriege und bewaffneter Konflikte in der Welt. Die Ursachen für die kriegerischen Auseinandersetzungen sind vielschichtig, die widerstreitenden Interessen schwer zu durchschauen und die technischen Möglichkeiten, Konflikte auszutragen, werden immer größer. Die Folgen der Kriege für die Menschen, die Länder, die Staatengemeinschaften und für die globale Entwicklung sind nicht absehbar.

 

Mit dem Titel der Fachtagung „Neue Kriege – neue Wege zum Frieden? Aktuelle Herausforderungen für die politische Bildung“, die am 31. Mai 2017 im Niedersächsischen Landtag in Hannover stattfand, wurde ein wichtiges, aber auch schwer fassbares Thema aufgegriffen. Die Veranstaltung wurde vom Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten (AdB) in Kooperation mit der Niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung (LPB), dem Institut für Didaktik der Demokratie – Leibnitz Universität Hannover (IDD) und in Zusammenarbeit mit der Agentur für Erwachsenen- und Weiterbildung in Niedersachsen durchgeführt. Das Interesse an dieser Veranstaltung war groß. Es konnten Menschen aus unterschiedlichen Arbeitsbereichen erreicht werden: aus Bildungsstätten, Schulen, Volkshochschulen, Friedensinitiativen, Vereinen, kirchlichen Einrichtungen etc.

 

Auch wenn Kriege oft weit weg scheinen, betreffen sie die Menschen in Deutschland doch unmittelbar: Menschen fliehen vor Gewalt und Zerstörung und suchen Zuflucht in Europa. Täglich sterben Menschen und die Nachrichten sind voll mit erschütternden Berichten. Und der Cyberkrieg kennt sowieso keine Grenzen. Die Bundeswehr ist durch ihre Auslandseinsätze in verschiedene Konflikte, aber auch in Peacebuilding-Prozesse involviert. Zivilgesellschaftliche Organisationen sind in internationalen Friedenseinsätzen mit humanitärer Hilfe unterwegs und Bildungsträger entwickeln Konzepte für friedenspädagogische und politische Bildung, die sich mit den Themen Krieg und Frieden auseinandersetzen.

 

Mit seinem einführenden Vortrag gab Dr. Frank Sauer, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität der Bundeswehr München, einen Einblick in die Entwicklung unbemannter und autonomer Waffensysteme, die eine neue Form von Rüstungskontrolle ebenso nach sich ziehen müssen wie die Einigung auf verbindliche Normen und die konsequente Durchsetzung der Menschenrechte. Es gehe dabei nicht in erster Linie um die technischen Artefakte, so der Referent, sondern um den praktischen Umgang damit, der besser geregelt werden müsse. Der erste Artikel des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar …“ sei dafür die zentrale Basis.

 

In drei Kommentaren sollten erste Konsequenzen für Politik, Gesellschaft und Bildung benannt werden: Es sprachen Jörg Hillmer, MdL CDU und Mitglied des Kuratoriums der LPB, Dr. Michael Rudloff, Karl-Theodor-Molinari-Stiftung und Dr. Inga Luther, OWEN – Mobile Akademie für Geschlechterdemokratie und Friedensförderung e. V. Deutlich wurde u. a., dass neben dem Handeln nach Sicherheitslogiken, d. h. der Abwehr von Bedrohung und Gewalt und der Verteidigung, vor allem ein Handeln nach Friedenslogik zum Schaffen eines umfassenden Friedens notwendig ist, durch die der Mensch Verantwortung für sein Handeln und in der Gesellschaft übernimmt.

 

In seinem Vortrag zur konfliktsensitiven Flüchtlingsarbeit als einer besonderen Form der Friedensarbeit griff Uli Jäger, Leiter des Programms Friedenspädagogik und Globales Lernen der Berghof Foundation in Tübingen, einen spezifischen Aspekt des Tagungsthemas heraus. Ihm gehe es darum, Konflikte als Chance und nicht als Bedrohung wahrzunehmen, Konfliktfähigkeit zu stärken, Reflexion und Partizipation anzuregen, Menschen für Bedürfnisse und Wünsche, für die Ziele des Engagements und der eigenen Grenzen zu sensibilisieren. Wichtig seien das Wissen über Fluchtursachen und die Lebensbedingungen sowie das (An-)Erkennen der globalen Auswirkungen des persönlichen lokalen Handelns. Uli Jäger beschrieb das große Maß an Verunsicherung in Deutschland und weltweit, ausgelöst durch die Weltlage, durch Kriege, Terrorismus, Migration und Flucht. Er beschrieb das Problem der mangelnden Differenzierung und Reflexion, die Rolle der Medien in diesem Prozess sowie die (wieder) wachsende Kriegsangst bei Kindern.

 

In der abschließenden Runde diskutierten Ulrich Ballhausen, Institut für Didaktik der Demokratie und Vorsitzender des AdB; Ulrika Engler, Direktorin der Niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung; Ottmar von Holtz, MdL, B90/Die Grünen und Mitglied des Kuratoriums der LPB, und Martin Kaiser, Leiter des Gustav Stresemann Instituts, Bad Bevensen. Die Runde wurde moderiert von Ina Bielenberg, Geschäftsführerin des AdB. Sie benannten – anknüpfend an viele vorher diskutierte Aspekte – wichtige Aufgaben, die sich aus dem Tagungsthema für die politische Bildung in der Schule, in außerschulischen Kontexten, aber auch in und mit der Bundeswehr ergeben. Im Folgenden einige Schlaglichter aus der Diskussion:

 

Politische Bildung kann und muss den Blick für Hintergründe und Interessenlagen schärfen und helfen, Wissen über globale Zusammenhänge zu vermitteln, über den Einfluss, den unsere Lebensweise auf andere Regionen in der Welt hat, über die Rolle von wirtschaftlichen und politischen Interessen.

 

Die Kernthematik „Krieg und Frieden“ sollte eine größere Rolle in Bildungskontexten spielen. Es sollten Räume für Diskussionen, Begegnungen, Vergewisserung geöffnet, andere Perspektiven eröffnet und Empathie gestärkt werden. Bilder und Vorurteile müssen überdacht und damit die Reflexionsfähigkeit gestärkt werden. Nicht zuletzt sollte es darum gehen, die Menschen zum politischen Engagement zu ermutigen, zur Verantwortungsübernahme und zur Entwicklung von Demokratiekompetenz. Es brauche eine Re-Politisierung der politischen Bildung.

 

Die Menschen sollten sich auf das Friedensprojekt Europa besinnen und analysieren, warum viele der weltweiten Konfliktursachen in Europa liegen. Der Friedensdiskurs sollte neben dem Sicherheitsdiskurs gestärkt werden.

 

Friedenspädagogik und politische Bildung können Räume eröffnen, über Ideen und Vorstellungen von Frieden neu nachzudenken. Sie können die individuelle Friedensfähigkeit und den konstruktiven Umgang mit Konflikten stärken, die wertschätzende Auseinandersetzung mit „dem Anderen“ sowie die Solidarität gegenüber den Mitmenschen.

 

Die Diskussion dieser Fachtagung hat einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, das Themenfeld Krieg und Frieden wieder stärker in das Bewusstsein der politischen Bildung zu rücken. Die politische Bildung kann zwar nicht die großen Probleme unserer Zeit lösen, sie kann aber ihren Beitrag leisten, Menschen zu sensibilisieren, Unrecht und Gewalt zu ächten und den Frieden zu stärken. Die Veranstalter werden dieses Thema im Blick behalten und die weitere Auseinandersetzung anregen.

 

Die Fachtagung ist Teil einer vom AdB ins Leben gerufenen Tagungsreihe der Fachzeitschrift „Außerschulische Bildung. Zeitschrift der politischen Jugend- und Erwachsenenbildung“, bei der in jedem Jahr eine Veranstaltung zum jeweiligen thematischen Schwerpunkt des ersten Heftes in Kooperation mit anderen Einrichtungen oder Organisationen und in einem anderen Bundesland durchgeführt wird. Diese Fachtagung war die dritte dieser Reihe. Die Idee ist es, mit der Veranstaltung an die Beiträge in der Zeitschrift anzuknüpfen, einige Aspekte zu vertiefen und neue Akzente zu setzen. Damit werden aktuelle Themen aus Politik und Gesellschaft ins Gespräch gebracht und ein Dialog zwischen Theorie und Praxis ermöglicht.

 

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