“Demokratie
braucht
politische Bildung”

Gr.A.C.E. – the beginning of a wonderful friendship

Foto: Georg Pirker
23.11. 2018

Akteurinnen und Akteure des deutsch-griechischen Projekts Gr.A.C.E. treffen sich in Korinth und Athen

Vom 29. Oktober bis zum 4. November 2018 fand in Korinth und Athen der zweite Teil des deutsch-griechischen Fachprogramms Gr.A.C.E. – Greek German matchmaking for Active Citizenship Education in Youth Work statt. 27 Pädagoginnen und Pädagogen sowie Teamende aus der politischen Jugendbildung, der Jugendarbeit und verwandten Arbeitsfeldern nutzten die Gelegenheit, in einen intensiven Dialog zu Grundfragen der Zusammenarbeit im Themenfeld Active Citizenship Education mit jungen Menschen in beiden Ländern zu treten.

 

Angesichts sehr unterschiedlicher Kapazitäten und Strukturen von Jugendhilfe und Jugendbildungsarbeit in beiden Ländern steht der Aufbau eines Deutsch-Griechischen Jugendwerks vor großen Herausforderungen. Hier setzt das Projekt Gr.A.C.E. an, indem es versucht, Bildnerinnen und Bildner und deren Organisationen darin zu unterstützen, die jugendpolitischen Gegebenheiten beider Länder besser kennenzulernen, eine gemeinsame Fachlichkeit zu entwickeln und durch das gemeinsame Ausgestalten von Praxis und Austausch zu befähigen, an der Ausgestaltung des Jugendwerks inhaltlich mitzuwirken. Das ist nicht ganz einfach, gibt es doch in Griechenland weder ein Jugendhilfegesetz, noch ein konkretes Berufsbild von Jugendarbeit. Die etablierten Strukturen in Deutschland und die Aufteilung in fachkompetente Arbeitsbereiche führen in einem solchen Dialog daher automatisch zu einem Ungleichgewicht.

 

Der Ansatz für dieses Arbeitstreffen war, sich in einem vielfältigen, non-formalen Lernprozess und Methodenworkshop in grundlegende Fragen, Themen und gemeinsame jugendpolitische Arbeitsfelder beider Länder einzufinden. Auf diese Weise sollten zum einen Ansätze und Prozesse non-formaler Bildungsarbeit gemeinsam praktisch vertieft und als deutsch-griechischer Diskursraum genutzt werden, zum anderen sollten die Teilnehmenden konkrete Themenschwerpunkte aus dem Feld politischer Jugendbildung erarbeiten und auf diese Weise ein besseres Gespür für die Ausgestaltung gemeinsamer Praxis im Austausch bekommen.

 

Einen wichtigen Ansatzpunkt für die Kooperationen bildeten, wie bereits im ersten Teil des Gr.A.C.E.-Projekts, die gemeinsame Beschäftigung mit den Themen Erinnerungsarbeit, deutsche Verbrechen und griechischer Bürgerkrieg: Im Märtyrerdorf Kalavrita konnten die Teilnehmenden ein langes Gespräch mit dem Bürgermeister und Präsidenten des Netzwerks der griechischen Opfergemeinden, Giórgios Lazourás, führen. Er betonte die Wichtigkeit des deutsch-griechischen Jugendaustauschs sowie die Chance, einen neuen Umgang mit dem gemeinsamen Erbe des Verbrechens der Wehrmacht an der griechischen Zivilbevölkerung zu finden.

 

Die Führung durch das Museum des Holocausts in Kalavrita, welches sehr eindrücklich über das Massaker der Wehrmacht informiert, sowie der anschließende Besuch des Erinnerungsmonuments, eröffneten der Gruppe eine Ahnung von der Vielschichtigkeit der Konfliktlinien, die das deutsch-griechische Verhältnis beeinflussen.

 

Im ehemaligen Konzentrationslager Chaidari bei Athen waren die Teilnehmenden die erste deutsch-griechische Gruppe überhaupt, die eine Führung im Gedenkort angefragt hatte. Das anschließende Reflexionsgespräch mit dem dortigen Begleiter über seine Erfahrungen in der Arbeit mit Jugendlichen und Besuchergruppen, hinterließ bei den Teilnehmenden einen tiefen, bleibenden Eindruck und zeigte einmal mehr, um welchen Scherbenhaufen herum der Aufbau eines deutsch-griechischen Jugendwerks de facto bewerkstelligt werden muss.

 

Im griechischen Parlament lernten die Teilnehmenden die politische Bildungsarbeit der griechischen Parlamentsstiftung im Kontext der Aussöhnungsarbeit kennen.

 

Gemeinsamen nutzten die 27 Pädagoginnen und Pädagogen die Projekttage, sich über methodische Herangehensweisen zu informieren, diese auszuprobieren und zu vertiefen. Ressourcenorientierte Zugänge zu jungen Menschen standen dabei im Vordergrund, bspw. über einen Workshop zu Forum Theater und Flucht (durchgeführt mit dem Theaterpädagogischen Department der University Peloponnes) und der Anwendung von Research Theatre im Jugendaustausch (durchgeführt vom Team der Fabryka Athen). Selbst gestalteten die Teilnehmenden zudem Workshops zu biographischem Arbeiten und zur Frage von gesellschaftlichen Konventionen und Tabus, die im Bildungsraum als „Gäste“ immer dabei sind und Lernprozesse insbesondere im Begegnungskontext stark beeinflussen. Hierbei auch unkonventionelle haptische Zugänge zu erproben, lernten die Teilnehmenden bspw. in der Fühlgalerie „Fluffy Room“ in Athen.

 

Deutsch-griechische Zusammenarbeit insbesondere im Jugendaustausch wird auf lange Sicht nicht ohne eine ausführliche Beschäftigung mit den Konsequenzen der Finanzkrise auf die Lebensrealitäten und die wirtschaftlichen Perspektiven junger Menschen geschehen können. Einen ersten Ansatz hierzu bot die Vorstellung der „Bridges“-Initiative der griechischen Regierung, die auf einen brain gain der im Ausland lebenden Griecheninnen und Griechen abzielt.

 

Angesichts der nach wie vor mangelnden Anerkennung der historischen Bürde der deutschen Verbrechen während des zweiten Weltkriegs erscheint es zwingend notwendig, in Begegnungssettings jungen Menschen Aushandlungs- und Verständigungsräume zu eröffnen, die eine Voraussetzung für die positive Gestaltung und das Entwickeln solidarischer Zukunftsentwürfe in Europa bilden. Hierzu benötigt es guter Pädagoginnen und Pädagogen. Dies bedeutet auch, über Austausche von Fachkräften hinaus, das Augenmerk auf die Entwicklung des Arbeitsfelds und Berufsbilds von außerschulischer Jugendarbeit in Griechenland zu legen sowie Möglichkeiten gemeinsamer Qualifizierung zu schaffen.

 

Das Projekt Gr.A.C.E. – Greek German matchmaking for Active Citizenship Education in Youth Work bietet einen wichtigen Ansatzpunkt, solche gemeinsamen Prozesse als non-formale Lern- und Verständigungsprozesse auszugestalten, indem es Matchmaking auf Ebene der Partnerschaften, der Diskurse, der Qualifizierungsanliegen und des gemeinsamen pädagogischen Prozesses ernstnimmt. Das Projekt versteht sich als Qualifizierungsprojekt für Fachkräfte der politischen Jugendbildung und wird gefördert aus Mitteln des KJP und über E+ Jugend in Aktion. Partner des AdB ist die University of the Peloponnese (UoP)/Faculty of social sciences.