“Demokratie
braucht
politische Bildung”

Gegenstrategien! Ein Königsweg der politischen Bildung?

Gegenstrategien! Ein Königsweg der politischen Bildung?
Foto: Lea Jaenicke
12.10. 2018

AdB-Fortbildung in der Bildungsstätte Anne Frank

Inwiefern können eine diskriminierungssensible politische Bildung und die Unterstützung von Identitätsarbeit ungewünschten Radikalisierungstendenzen bei Jugendlichen vorbeugen? Mit diesen Fragen haben sich die Teilnehmenden der AdB-Fortbildung „Diskriminierung und Radikalisierung: Gegenstrategien!“ am 28. September 2018 in der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main auseinandergesetzt. Sie wurde vom AdB-Fachreferat „Religiös begründeter Extremismus“ vorbereitet und durchgeführt. Aufgrund der starken Nachfrage wurde die Fortbildung am 5. Oktober wiederholt.

 

Die theoretischen Inputs von Saba-Nur Cheema, Dr. Meron Mendel, Aylin Kortel und Deborah Krieg – alle Bildungsstätte Anne Frank – haben verdeutlicht, dass Identität als dynamischer, mehrdimensionaler und situations- und kontextabhängiger und darüber hinaus lebenslanger Prozess zu verstehen ist. Die während der Identitätsarbeit auftretende Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung spielt vor allem für junge Menschen in der Umbruchphase zum Erwachsenwerden eine bedeutende Rolle. Die Fähigkeit, vielfältige und zum Teil widersprüchliche Anforderungen an die eigene Identität auszuhandeln, kann ein wirksamer Schutz vor der Entwicklung menschenverachtender Einstellungen sein. Diskriminierende und verengte Zuschreibungen von Identitätsmerkmalen, die aber in einer Spannung zu selbstdefinierten Merkmalen der eigenen Identität stehen, gelten hingegen als unerwünschter und heikler Radikalisierungsfaktor. Für die Teilnehmenden wurde daraus ersichtlich, dass gesellschaftlich relevante Fragestellungen nicht nur aus Sicht der Radikalisierungsprävention betrachtet werden können, sondern immer auch die Perspektive der diskriminierungssensiblen Bildungsarbeit eingenommen werden muss.

 

Die Fortbildung war verbunden mit einem Besuch des interaktiven Lernlabors „Anne Frank. Morgen mehr“ (Kuratorin des Lernlabors: Deborah Krieg), welches Themen zu Gerechtigkeit, Vielfalt und Migration in Vergangenheit und Gegenwart behandelt. Hier waren Pädagoginnen und Pädagogen, Multiplikatoren und Multiplikatorinnen und Mitarbeitende aus Bildungseinrichtungen eingeladen, sich mit jugendrelevanten Themen auseinanderzusetzen und auch ihre eigene Arbeit hinsichtlich Diskriminierung, Ausgrenzung und Rassismus zu reflektieren.

 

Neben inhaltlichem Austausch stand auch die Vernetzung verschiedener Akteure im Fokus. Die stete Weiterentwicklung von Methoden und Ansätzen der politischen Bildung spielt eine wichtige Rolle im Fachreferat „Religiös begründeter Extremismus“. Die bereits vorhandene Expertise, Ressourcen und geeigneten Methoden zu nutzen und auch innerhalb des Verbands weiterzugeben, ist eines seiner Ziele. So bot die Umgebung des Lernlabors, in dem normalerweise Jugendliche mit und von gleichaltrigen Teamerinnen und Teamern lernen, eine geeignete Plattform, um eine Begeisterung für diese Offenheit auch bei erfahrenen Pädagoginnen und Pädagogen zu aktivieren. Insbesondere die zunehmende Ausdifferenzierung in praktischen Handlungsbereichen der Jugendpädagogik und die Etablierung eines Projektcharakters relevanter Maßnahmen betonen, wie wichtig ein Erfahrungsaustausch ohne Konkurrenzgedanken ist.

 

Im Umgang mit gesellschaftlichen Herausforderungen bewegen sich die pädagogische Jugendarbeit und die außerschulische politische Bildung an einer Schnittstelle zur Radikalisierungsprävention. Oftmals erfolgt dieser Umgang theoretisch und auf der wissenschaftlichen Ebene. Ein Transfer von theoretischen Ansätzen in die pädagogische Praxis ist ein Anliegen des AdB.

 

Die Fortbildung in der Bildungsstätte Anne Frank hat beispielhaft gezeigt, wie auf spielerische und jugendgerechte Art gesellschaftliche und oft heikle Themen aufgegriffen und in der eigenen Arbeit mit Jugendlichen behandelt werden können. Die Diskussionen haben auch gezeigt, dass diese Arbeit oft begleitet wird von Zweifeln an den Methoden, Unsicherheit über Vorgehensweisen und der Suche nach neuer Inspiration.

 

So haben die Teilnehmenden aus der Fortbildung mitgenommen, dass es nicht immer eine einfache Entscheidung zwischen richtig und falsch oder wahr und unwahr gibt. Ebenso gibt es nicht den EINEN Weg, wie in der pädagogischen Praxis mit Dilemmata und schwierigen Fragestellungen umgegangen wird, und erst recht keinen Königsweg der politischen Bildung.