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3. MIDEM-Jahresbericht: Abwanderung innerhalb Deutschlands stärkt die AfD

Eine neue Studie des Mercator Forum Migration und Demokratie (MIDEM), die am 8. Dezember 2020 in Dresden veröffentlicht wurde, untersucht Auswirkungen von Ab- und Auswanderung auf Wahlerfolge rechtspopulistischer Parteien in Deutschland und Europa. Die Studie fand heraus, dass die AfD bei Wahlen in einer Region in Deutschland umso besser abschneidet, je stärker diese Region in den vergangenen drei Jahrzehnten von Abwanderung betroffen war. Der Zusammenhang zwischen Abwanderung und AfD-Wahlergebnissen besteht unabhängig von anderen soziodemographischen und sozioökonomischen Faktoren wie Bevölkerungsdichte, Bruttoinlandsprodukt pro Kopf oder Arbeitslosenquote und ist in Westdeutschland sogar noch etwas stärker ausgeprägt als in Ostdeutschland. Für Ostdeutschland ist die zeitliche Dimension bemerkenswert: die erste Abwanderungswelle unmittelbar nach der Wiedervereinigung fällt deutlich weniger ins Gewicht als die Abwanderung nach der Jahrtausendwende.

 

Die diesjährige MIDEM-Studie zeigt aber auch: Nicht jede Form der Abwanderung wirkt in gleicher Weise. Von hohen Wegzugsraten ins Ausland etwa können rechtspopulistische Parteien in Europa kaum profitieren. Im Gegenteil: Dort, wo viele Menschen auswandern, schneiden Rechtspopulisten tendenziell schlechter ab. Offensichtlich wirkt sich der Wegzug ins Ausland anders auf das Wahlverhalten der Einheimischen aus als Umzüge innerhalb des Landes bzw. Abwanderung aus ländlichen Regionen in die Städte. Denkbar ist, dass die Erfahrung von innereuropäischer Mobilität ein wichtiger Faktor für den Abbau nationalistischer Vorurteile ist. Allerdings ist hier der Kontext entscheidend: In wirtschaftlich schwachen Regionen können hohe Auswanderungsraten rechten Parteien nämlich durchaus zu Stimmengewinnen verhelfen. Die Forscher*innen des Mercator Forum Migration und Demokratie (MIDEM) haben zudem untersucht, wie das Thema Emigration im politischen und medialen Diskurs jener EU-Länder behandelt wird, die von Auswanderung betroffen sind. Auffallend ist, dass Emigration selten gezielt politisiert wird.

 

Der MIDEM-Jahresbericht bietet Einblicke und Hintergrundanalysen zu den Auswirkungen der Emigration in folgenden Ländern: Deutschland, Bulgarien, Griechenland, Italien, Polen, Portugal, Rumänien, Spanien, Tschechien und Ungarn. Die Studie wertet Daten nationaler und europäischer Statistikämter, Umfragen, Medien, Wahlprogramme und Wahlergebnisse aus.

 

Das Mercator Forum Migration und Demokratie (MIDEM) ist ein interdisziplinäres Forschungszentrum der Technischen Universität Dresden in Kooperation mit der Universität Duisburg-Essen, gefördert durch die Stiftung Mercator. Es fragt danach, wie Migration demokratische Politiken, Institutionen und Kulturen prägt und zugleich von ihnen geprägt wird. Untersucht werden Formen, Instrumente und Prozesse politischer Verarbeitung von Migration in demokratischen Gesellschaften – in einzelnen Ländern und im vergleichenden Blick auf Europa.

 

Quelle: Pressemitteilung des MIDEM vom 08.12.2020